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Klima

Kai Zorn: Sommer 2019 - der staubig-heiße Abgrund?

Letzte Aktualisierung: Fr 26.04.2019 | 10:24 Uhr - Kai Zorn
Wird der Sommer 2019 auch wieder von Hitzewellen und Trockenheit geprägt? ©Shutterstock

Mit der Wetterprognose für den Sommer 2019 beschäftigen sich bereits jetzt viele. Es könnte noch heißer und trockener werden als letztes Jahr, heißt es. Kai Zorn macht sich seine eigenen Gedanken.

Kennen Sie auch diverse Zeitgenossen, die immer und für alles eine Ausrede haben? Grundsätzlich sind die anderen schuld und es wird immer mit zweierlei Maß gemessen. Und man kann noch so viel Beispiele und vernünftige Argumente bringen oder mal an die Selbstverantwortung appellieren - es bringt nichts. Im Wort Selbstverantwortung steckt das Wort Verantwortung = eine Antwort auf etwas finden.

Manchmal dauert es etwas, bis man eine Antwort gefunden hat, weil man sich zu sehr auf die Frage konzentriert. Und Antworten können vielschichtig und vielseitig, vor allem nicht immer einfach sein. Eine Ausrede ist immer einfach. Und mir scheint es manchmal, als gäbe es in unserer aktuellen Zeit nur wenige Dinge: Es muss 1. einfach sein, 2. schnell gehen und 3. ist alles Klimawandel.

Wetter muss noch schnell auf der App konsumiert werden können, peppig, jung, inhaltslos über Social Media. Der Rest ist "altbacken", gehört nicht zu unserer Zeit… Ist das wirklich so? Natürlich möchte man morgens wissen: Was ziehe ich an - kurz  und bündig. Aber wenn es um mehr geht, vor allem um größere Zusammenhänge. Was ist dann? Dann hauen wir auf die Kacke, machen Panik, verbreiten Angst, suchen plakative Schlagzeilen, skizzieren den Weltuntergang. Das bringt Aufmerksamkeit. Eine einfache und schnelle Ausrede, keine Antwort.

Wird der Sommer 2019 noch heißer und trockener als sein Vorgänger?

Und so liest, hört und sieht man dieser Tage und Wochen wieder nur eines: Der Sommer 2019 wird schlimm. Er wird heißer als 2018, er wird trockener als 2018 und überhaupt ist das der Beginn einer Serie, die uns dem Weltuntergang nahe bringt.  Kurioserweise behaupten das auch Leute, die mit Langfrist auf Kriegsfuß stehen und nur das obligatorische 3-Tage-Wetter propagieren. Wenn es aber um den Sommer 2019 geht, ist alles klar.

Ist es denn wirklich so klar? Als erstes müssen wir uns mal von dem ganzen Mist lösen und mal ganz nüchtern zu den Fakten kommen. Wo beginnen wir? Nehmen wir mal 1000 Jahre Wetter und Witterung im Mitteleuropa. War es schon mal wärmer? Ja. War es schon mal kälter? Ja klar. War es schon mal trockener? Jupp. War es schon mal nasser? Öh, jepp! Sind schon mal Winter komplett ausgefallen? Ja. Gab es schon mal extreme Schneemassen? Jaha… Hm, gab es schon mal große Extreme innerhalb kürzester Zeit? Gähn, ja. Wir könnten das so fortführen.

Wann war es bei uns in Deutschland am wärmsten?

Nächste Frage: Wann war es bei uns am wärmsten? Vor ca. 900 Jahren, vor ca. 2000 Jahren und lange Zeit nach der letzten Eiszeit. Okidoki. Wann war es bei uns am kältesten? Während der Kleinen Eiszeit, deren Tiefphase Ende des 16. Jahrhunderts begann und Mitte des 19. Jahrhunderts langsam endete und sich bis in die 1970er und 1980er Jahre zog… (Der alpine Gletscherhöchststand war rund 1850 nach der letzten Eiszeit. Das heißt, die Menschheit hat seit der letzten Eiszeit die kälteste Phase vor rund 200 Jahren erlebt.)

Das sind Fakten, die schon mal "entspannen". Gut, solche Fakten lassen sich nicht innerhalb weniger Selfie-Minuten für schnelle Klicks realisieren, aber man kann sie nachlesen, vor allem in Büchern. 

Bis hierher könnten wir das zynisch-ironische Fazit ziehen: Unser Überleben erscheint möglich…

In 2018 wohl das wärmste Sommerhalbjahr seit 500 Jahren

Dann gehen wir mal ein bisschen entspannter die Geschichte mit dem Sommer 2019 an. 2018 war ein krasses Jahr, ja. Es war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seit fast 500 Jahren das wärmste Sommerhalbjahr. Dass wir in den vergangenen, von der Kleinen Eiszeit geprägten Jahrhunderten wenig Vergleichbares finden, liegt auf der Hand. Aus den wirklich warmen Klimaepochen liegen uns keine Messdaten vor - leider, wie ich finde.

Da ich mir 500 Jahre penibel und 1000 Jahre gründlich angeschaut und analysiert habe, fiel noch etwas auf: Innerhalb von Klimaepochen gab es teilweise starke Schwankungen von wärmeren und kälteren Phasen, von trockenen und nassen - also eine Art Grüppchen-Bildung. Das heißt, es tauchten gerne mal viele heiße und  trockene Sommer in einigen Jahrzehnten auf oder schneearme und milde Winter, dann wieder viele Jahre mit Hochwasser, Kälte und Schnee. Die jeweiligen Klimaepochen federten das entweder ab oder intensivierten es.

Und da wir uns gerade wieder in einer warmen Klimaepoche finden, werden warme bis heiße Sommer innerhalb der Grüppchenbildung intensiver.

Wiederholungen von großen Jahreszeiten kommen fast nie vor

Was allerdings fast nie vorkam, waren Wiederholungen von großen Jahreszeiten. Spontan fallen mir nur die beiden fast identischen Winter von 1600 und 1601 ein. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich 2018 wiederholt, gering. Natürlich ist es möglich, aber eben nicht sehr wahrscheinlich.

In der vorösterlichen Woche führte ich zwei längere Telefonate. Einmal mit meinem "meteorologischen Ziehvater" von vor knapp 25 Jahren und einmal mit Langzeitwetterexperte Ivo Brück. Einmal kam die Aussage: "Der Sommer findet im Juni statt. Der Rest wird zwar nicht schlecht, aber danach wird der Sommer der medial-verseuchten Schönwettergesellschaft nicht recht." Mein "Ziehvater" schob nach, dass der Sommer natürlich zu warm und zu sonnig ausfallen wird.

Hitze und Trockenheit: Sommer 2019 statistisch mit Super-GAU-Potenzial

Ivo meinte, dass der Sommer 2019 aus statistischer Sicht das Potenzial zum Super-GAU hätte in Sachen Hitze und Trockenheit im Kern und meinte damit den Juli und den August. Den Juni sah er kritisch, den September im Absturz.

Während der Diskussion betonte er aber, dass er das nur aus statistischer Sicht (Zyklen) so sähe, nicht was die aktuelle Entwicklung beträfe. Mal gucken, ob wir uns in Kürze mal wieder zusammensetzen werden.

Großwetterlagen gänzlich anders als in 2018

Und was bleibt? Die Großwetterlagen. Die Entwicklung in 2019 ist, bis vielleicht auf den Januar, gänzlich anders als im vergangenen Jahr. Da bestehen eigentlich gar keine Ähnlichkeiten. Der Februar und März 2018 waren trocken-kalt, Februar und März 2019 waren teilweise extrem mild und phasenweise nass. Wir erinnern uns an die erste nasse Märzhälfte, die den vergessenen Super-Februar-Frühling der zweiten Hälfte zunichtemachte. Und der April machte in der ersten Hälfte auch nicht so mit und schaffte gerade mal statistisch die "schwarze Null" (auf den Gesamtmonat bezogen). 

Aber die aktuelle Entwicklung ist ja genauso wie 2018, sagt man. Ist das denn so? Nein, wenn wir genauer hinschauen, überhaupt nicht. Ja, wir hatten mit Monster-Hoch KATHARINA ein Nordeuropa-Bollwerk wie 2018. Nur war das in 2018 eben im Februar, im März und vor allem dann wieder im Sommer am Drücker, nicht aber Ende April. Im April 2018 gab es ein Skandi-Hoch für ein paar Tage um die Monatsmitte. Der Rest war eine Dümpel-Hochdrucklage mit "hausgemachter Wärme". Im letzten April-Drittel war über Nordeuropa/Nordmeer sogar eher Tiefdruck. Aha!

Das Ganze habe ich in einem Video einmal aufgezeigt:

Der April läutete im vergangenen Jahr den Mega-Sommer 2018 ein. Auch aktuell ist es im April wieder sonnig und warm. Folgt daher der nächste Hitze-Sommer? Unser Kolumnist Kai Zorn weist im Video auf die Großwetterlagen hin, die den April 2018 vom April 2019 unterscheiden.

Da hätte ich Haubentaucher vielleicht mal im vergangenen Jahr ein bisschen genauer hinschauen müssen. Wir finden vor sehr warmen bis heißen Sommern (der Neuzeit) eher tiefen Druck über Skandinavien. Das war 2018, 2015, 2013, 2006, 2003 und 1995 beispielsweise der Fall.

Das spricht gegen einen Hitzesommer 2019

Auf der anderen Seite zeigte sich vor nicht so heißen (Hoch)Sommern ein starkes Nordeuropa-/Nordmeer-Hoch gerne mal im letzten April-Drittel. Besonders ausgeprägt waren diese Hochs in 1993, 2000, 2007, 2009, 2011 und 2014. In diesen Sommern finden wir keinen Hitzesommer. All diese Sommer hatten vor allem eine große Schwachstelle im Juli und zumindest teilweise einen heißen Frühsommer und eine Art "Wiedergutmachung" im August. Plakativ erscheint mit da der August 2009. 

Wenn wir summa summarum alle Fakten bis hier zusammentragen, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederholung von 2019 verschwindend gering. Dass uns da ein Kaliber wie 1993 (nass und für heutige Verhältnisse kalt) bevorsteht, ist ebenfalls gering. Betrachten wir nüchtern das Umfeld (warme Klimaepoche, warmer Abschnitt) wird das ein "typischer Sommer" aus diesem Jahrzehnt mit dem Hang zu einem schwachen Juli.

Der Sommer 2019 ist bereits in den Schlagzeilen. Wird er so heiß wie der Sommer 2018 mit einer großen Trockenheit und Dürre? Unser Kolumnist Kai Zorn schaut auf die (möglichen) Großwetterlagen und legt sich fest: Der Sommer in diesem Jahr wird überdurchschnittlich verlaufen, aber nicht extrem.

Zusammenbrechender Jetstream nichts Außergewöhnliches

Falls jetzt irgendein Pappkopp auf die Idee kommt, mit dem Jetstream daherzukommen, verweise ich auf das eingangs Erwähnte. Eine völlig im Eimer (im Arsch wollte ich jetzt nicht schreiben) seiende Zirkulation gehört ebenfalls zum Standardprogramm der Wetter- und Witterungsgeschichte. Da kommen auch wieder andere Zeiten.

Ich möchte hier nichts runter und nichts rauf spielen, sondern nur mal andere Ansätze aufzeigen. Der Mensch macht weiß Gott genug Unfug mit unserer Umwelt/Natur. Nicht alles ist immer "Klimawandel". Wenn wir Landschaften mit natürlichen Wasserläufen und einer intakten Fauna und Flora zu Gunsten von Monokulturen zerstören, Bäche kanalisieren und natürliche Wasserwege und Rückhaltezonen der Gewässer beseitigen und diese Monokulturen dann bewässern müssen, dann hat das vielleicht mehr mit wirtschaftlichen Interessen zu tun als mit dem Klimawandel.

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