60.000 Menschen betroffen: Sturmfluten an Ostsee werden zu Gefahr

- Melanie Probandt
60.000 Menschen betroffen: Sturmfluten an Ostsee werden zu Gefahr
©
Sturm, Flut und weitreichende Überschwemmungen: Sieht so die Zukunft der deutschen Ostseeküste aus?

Küstenregionen sind durch heftiger werdende Stürme und häufige Überschwemmungen bedroht. Doch nicht nur Urlaubsparadiese in Asien oder die sinkende Stadt Venedig sind betroffen. Auch die Ostseeküste ist in Gefahr.

Eine Studie der Universität Kiel zeigt, dass selbst Deicherhöhungen an der Ostseeküste bei einer Sturmflut nicht reichen werden. Hochaufgelöste Simulationen eines Forschungsteams unter Professor Joshua Kiesel enthüllen die besorgniserregenden Szenarien. 

Mehr als 60.000 Menschen könnten betroffen sein

Bei einem Anstieg des Meeresspiegels von ein bis 1,50 Metern könnte eine Jahrhundert-Sturmflut voraussichtlich eine Fläche überschwemmen, die viermal größer ist als die gegenwärtige – und das selbst wenn die Deiche um 1,50 Meter erhöht werden. Dabei wären gut 60.000 Menschen betroffen.

Demnach gilt die Ostseeküste als das in Europa am stärksten von Sturmfluten bedrohte Gebiet. Der Grund: Hier treffen besonders stark ansteigende Pegel und tiefliegende Landflächen aufeinander. 

Studie enthüllt Szenarien bei Sturmflut

Was bedeutet der prognostizierte Meeresspiegelanstieg für die Zukunft der deutschen Ostseeregion? Diese Frage untersuchte Professor Kiesel mit seinem Team intensiv, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie effektiv der Küstenschutz vor zukünftigen Sturmfluten schützt. 

In ihrer Simulation modellierten die Forschenden die deutsche Küstentopografie, inklusive bestehender Deiche, und setzten sie virtuell einer 200-Jahres-Sturmflut aus – in Übereinstimmung mit den Vorhersagen des jüngsten Weltklimaberichts für einen möglicherweise ungebremsten Klimawandel bis 2100.

Des Weiteren nahmen die Forschenden zwei Szenarien des verbesserten Küstenschutzes unter die Lupe: einerseits eine Erhöhung der Deiche um 1,50 Meter, andererseits die Option der Deichrückverlegung. 

Auch in diesem Herbst erlebte die Ostseeküste ein verheerenden Sturmhochwasser: 

Erschreckende Ergebnisse

Das Ergebnis: Unter heutigen Bedingungen würde eine Jahrhundertflut ca. 217 Quadratkilometer Landfläche überschwemmen. Bei einem Meter Meeresspiegelanstieg wären ohne Küstenschutzanpassungen rund 753 Quadratkilometer überflutet, bei 1,50 Metern wären es 1016 Quadratkilometer. 

Demnach würde eine Erhöhung aller Deiche um 1,50 Meter diese Überflutungsfläche nur auf 593 (17 Prozent) beziehungsweise 840 Quadratkilometer (25 Prozent) verringern.

Betroffen wären laut dem Team in Schleswig-Holstein insbesondere die Flensburger Förde, die Eckernförder Bucht, Fehmarn, Travemünde sowie Lübeck. Die Schätzungen liegen bei bis zu 63.000 Menschen ohne Deichanpassungen. Mit Deicherhöhungen wären es noch immer bis zu 50.000 Menschen.

Reichen bisherige Strategien zum Schutz aus?

Nur wenig besser wäre ein Schutz durch die Rückverlegung der Deiche kombiniert mit einer Erhöhung der Landesschutzdeiche. Eine Jahrhundertflut bei erhöhtem Meeresspiegel würde infolge 26 Prozent weniger Menschen treffen, die überflutete Fläche wäre aber nur geringfügig kleiner.

Allerdings gibt es einen Haken: Die Deichrückverlegung erfordert erhebliche nicht besiedelte und nicht intensiv genutzte Flächen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass theoretisch etwa 87 Prozent der deutschen Ostsee-Deichlinie rückverlegt werden könnten, ohne dass Siedlungen verlegt werden müssen. 

Dies würde jedoch mehr als 60.000 Hektar Land in die potenziell überflutete und nur bedingt nutzbare Gefahrenzone bringen. Bisher seien vor allem in Mecklenburg-Vorpommern 24 solcher Rückverlegungsprojekte in Planung.

Es braucht alternative Lösungen

Die Forschenden sind sich einig: Es braucht neue Lösungen. "Wir brauchen mehr Forschung über die Effektivität alternativer Anpassungskonzepte an den Meeresspiegel", so Joshua Kiesel, der mittlerweile als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Amsterdam tätig ist.

Denn das Studienergebnis zeigt: Weder eine Erhöhung bestehender Deiche noch eine Rückverlegung wären ausreichend, um Menschen, Infrastruktur oder Gebäuden an der Ostseeküste vor künftigen Sturmfluten zu schützen.

Weitere Empfehlungen der Redaktion:

Zur News-Übersicht Klima
Dieser externe Inhalt steht leider nicht zur Verfügung, da er nicht kompatible Elemente (z. B. Tracking oder Werbung) zum ContentPass-Abo enthält.
Nach oben scrollen