Bauernproteste: Ist nachhaltige Landwirtschaft nur Wunschdenken?
Die deutschen Landwirte sind in Aufruhr: Nach den Demonstrationen und Blockaden mit Tausenden Teilnehmern setzt die Regierung bei den Sparmaßnahmen weiter bei der Landwirtschaft an. Wir haben die Problematik näher beleuchtet.
Es ist das Thema, das derzeit alle Schlagzeilen beherrscht: Die landesweiten Bauernproteste haben für großes Aufsehen gesorgt. Es wird demonstriert gegen die Einschnitte von Subventionen, unter anderem von Agrardiesel. Doch bei genauerem Hinschauen wird klar: Es geht um weitaus mehr.
Was genau würden die Maßnahmen der Politik für die Bauern bedeuten? Was wären ganzheitlich betrachtet die Vor- und Nachteile? Gehen unsere Bauern an den neuen Bestimmungen bankrott und nachhaltige Landwirtschaft bleibt nur Wunschdenken?
Hintergrund: Was geschah vor der Eskalation am 04. Januar?
Zum Hintergrund: Die Sparmaßnahmen zugunsten der Haushaltslücke erstrecken sich auch auf die Landwirte. Nicht zuletzt spielen zudem die Faktoren Klimafreundlichkeit bzw. Nachhaltigkeit eine Rolle. Laut eines Berichts der Bundesregierung erhielt im Schnitt ein landwirtschaftliches Unternehmen im vorletzten Wirtschaftsjahr knapp 2.900 Euro Agrardieselbeihilfe, immer in Abhängigkeit von Art und Größe des Betriebs. Vorgesehen war es, diese Bezuschussung von Agrardiesel sowie die Kfz-Steuerbefreiung als Teil der Sparmaßnahmen zu streichen. Das stieß auf Gegenwind – auch aus den eigenen Reihen.
Bereits in der Vorweihnachtszeit äußerte Lindner, er sei dazu bereit, die Beschlüsse durch andere Kürzungsmaßnahmen zu ersetzen. Auch SPD-Politiker und -politikerinnen wie Manuela Schwesig stellten sich gegen die Ampel-Pläne.
Die Eskalation folgte schließlich am 04. Januar, als aufgebrachte Landwirte unter Einsatz von Silvesterraketen den Fähranleger blockierten, auf dem Habeck sich befand und den Grünen-Politiker zur Abreise zwangen.
Daraufhin wurde bekanntgegeben, dass die Kfz-Steuerbefreiung nun noch beibehalten werde und die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel nur stufenweise abgebaut werde - in diesem Jahr um 40 Prozent, in den zwei folgenden Jahren um je 30 Prozent.
Führt mehr Nachhaltigkeit zu bedrohten Existenzen?
Die Großdemonstrationen der Bäuerinnen und Bauern fanden trotzdem statt. Warum?
Die Streichung der Subventionen war lediglich der symbolische Tropfen, der das berühmte Fass zum Überlaufen brachte. So betont die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL), dass die Probleme in der Landwirtschaft tiefer liegen, und fordert einen grundlegenden Wandel in der Agrarpolitik.
Lebensmittel legen Tausende Kilometer bis nach Deutschland zurück und kosten pro Stück trotzdem oft nur Centbeträge. Schuld sind unter anderem geringere Löhne im Ausland und weniger strenge Auflagen bei Tierhaltung oder Anbau. Mit den Niedrigpreisen aus dem Ausland können viele Produzenten hierzulande einfach nicht mithalten.
Beißt sich billig und nachhaltig?
Gegenüber taff äußert Daniela Krehl von der Verbaucherzentrale in München: "Zum Beispiel bei Südfrüchten vermutet man einen relativ hohen Kostenanteil, was den Transport angeht. Umgerechnet ist die einzelne Banane aber nur ein Cent-Betrag. Die werden in großen Schiffen transportiert - somit ist der Transport relativ unwesentlich."
Im Gegensatz dazu stünden die Personalkosten. Und die sind im Ausland, oft wegen ausbeuterischer Zustände, wesentlich geringer. In Deutschland wiederum lägen angestellte Personen in der Landwirtschaft laut agrarheute mehrheitlich zwischen 2500 und 4000 Euro Brutto pro Monat.
Falsche Landwirtschaftspolitik seit Jahrzehnten
Der Fehler liegt aber auch in der Politik: Gefördert werden vor allem diejenigen, die große Flächen bewirtschaften bzw. mehr Vieh halten. Somit gilt Masse vor Klasse. Das zeigen auch die Zahlen der letzten Jahre: Während die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe von ca. 904.000 im Jahr 1975 auf 256.000 bis 2022 gesunken ist, hat die genutze Fläche pro Betrieb deutlich zugenommen. Diese lag 2020 bei 63 Hektar - ganze 13 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren (56 Hektar).
Dass die Proleme der deutschen Landwirtschaft viel tiefer liegen, unterstreicht auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Er sieht die Ursache der Bauernproteste in Jahrzehnten falscher Landwirtschaftspolitik: "Ich glaube, dass der Agrardiesel eigentlich eine Metapher ist für eine Unzufriedenheit, die sich nicht nur auf die letzten zwei Jahre meiner Amtszeit bezieht".
Rückzieher der Regierung stößt auf Kritik
Trotzdem bleibt Tier- und Umweltschutz ein brisantes Thema. Kritisch gegen das politische Zurückrudern äußert sich etwa Greenpeace: "Das klimabedingte Hochwasser überflutet gerade Äcker und Weiden in ganz Deutschland und der Deutsche Bauernverband will weiter gegen Klimaschutz protestieren - das ist nicht nachvollziehbar."
Zudem versichert Prof. Dr. Alfons Balmann, Direktor des IAMO, gegenüber N-TV: "Die aktuellen Kürzungspläne bedrohen die Betriebe nicht in ihrer Existenz." Die Abschaffung der Agrardiesel-Subvention sei überfällig.
Auch Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen, kommentierte, er finde es besorgniserregend, dass die Proteste darauf abzielen, notwendige Schritte für eine nachhaltigere Wirtschaftsweise zu verlangsamen.
Warum Diesel-Alternativen kaum eingesetzt werden
Doch ist eine nachhaltige Landwirtschaft derzeit überhaupt realistisch? Die meisten schweren Landmaschinen fahren mit fossilem Diesel. Gibt es keine nachhaltigeren Alternativen wie E-Traktoren, grünen Wasserstoff oder Bio-Diesel?
Die traurige Antwort lautet: kaum. Wie der Bayrische Rundfunk (BR) berichtet, werden zwar kleinere Hoflader mit Elektromotoren verkauft, doch bei großen Fahrzeugen gibt es bisher nur Prototypen mit viel zu geringer Leistung, die nur für kleinere Arbeiten infrage kommen. Hinzu kommen die Anschaffungskosten, welche, sollten die Fahrzeuge auf den Markt kommen, viel höher als bei Dieselfahrzeugen ausfallen würden.
Das Angebot an E-Traktoren müsste also entsprechend deutlich größer und günstiger werden. Edgar Remmele vom Technologie- und Förderzentrum in Straubing ist zudem der Meinung, man solle den Strom für die Fahrzeuge unbedingt am eigenen Hof generieren, also zum Beispiel durch Photovoltaik auf den Dächern. Sonst würde es schnell teuer.
Er könne sich dem BR zufolge aber vorstellen, dass zukünftig etwa 25 Prozent des Dieselverbrauchs in der Landwirtschaft durch den Umstieg auf elektrische Systeme eingespart werden kann. Die Frage nach den verbleibenden 75 Prozent bleibt hier offen.
Die AbL präsentiert derweil einen 6-Punkte-Plan, der unter anderem die Einführung einer Tierwohlabgabe, eine höhere Grunderwerbsteuer beim Landkauf und eine gerechtere Verteilung von Agrarprämien vorsieht. Sie fordert, dass die Gelder in der Landwirtschaft verbleiben und für soziale und ökologische Veränderungen genutzt werden.
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