Darum ist Wintersport zurzeit so gefährlich

- Quelle: dpa

Statt Schnee soweit das Auge reicht liegt in diesem Winter auf vielen Pisten Kunstschnee. Neben der Piste ist es dann grün und steinig - und genau das kann für Wintersportler:innen gefährlich werden.

In vielen Wintersportgebieten ist es derzeit eher grün statt weiß - doch die Ski- und Snowboardfahrer:innen lechzen nach zwei Corona-Jahren nach neuen Abenteuern und Pisten-Vergnügen. Doch zuletzt häuften sich die Meldungen von Unfällen. Wie kann das mit der Schneelage zu tun haben und wie sollten sich Wintersportler:innen verhalten?

Bereits 13 tote Skifahrer in der laufenden Saison

In Österreich sind in der laufenden Skisaison bis zum 3. Januar 2023 schon 13 Menschen auf Pisten tödlich verunglückt, wie das Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS) berichtet. Elf starben allein in Tirol, darunter zwei Jugendliche aus Deutschland.

Vielerorts gebe es auf den Talabfahrten nur schmale Kunstschneebänder, sagt der Präsident des Deutschen Skilehrerverbands, Wolfgang Pohl, der Deutschen Presse-Agentur. Stürze abseits der Piste seien sehr gefährlich.

Felsen und Steine neben den Pisten sind "lebensgefährlich"

Auf den schmalen Kunstschneepisten sei oft nicht genug Platz für alle Skifahrer, fährt Pohl fort. Gerade in den Weihnachtsferien sei es in den bayerischen und den Tiroler Skigebieten richtig voll gewesen.

"Dann wird es eng, dann kommt es zu Beinahe-Zusammenstößen", so der Skilehrer. Wer ausweicht und dann mit hoher Geschwindigkeit stürzt und in die nicht-eingeschneiten Flächen neben den Pisten fällt, riskiere schwere Verletzungen.

Früher waren die Skigebiete auch jenseits der Pisten eingeschneit. Jetzt sind dort Felsen und Baumstümpfe zu sehen. Wer in Naturschnee stürze, falle relativ weich - "jetzt fällt man extrem hart, kollidiert unter Umständen mit Felsen und Bäumen, und das ist natürlich lebensgefährlich".

In der Schweiz geben einige Skigebiete wegen Schneemangels diese Saison bereits auf. Mehr dazu im Video zu Beginn des Artikels.

Durch Kunstschnee wird die Piste härter und rutschiger

Zudem ist künstlich hergestellter Schnee anders als Flocken, die natürlich vom Himmel fallen, erläutert das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos. Statt um Schneekristalle handelt es sich beim Kunstschnee um kleine Eiskugeln.

"Dadurch ist technischer Schnee dichter und härter als natürlicher Neuschnee. Bei Mangel an Neuschnee wird die Oberfläche auch härter", erklärt ÖKAS-Geschäftsführer Matthias Knaus.

Wenn viele Skifahrer unterwegs seien, rutsche der wenige Schnee an steilen Stellen schneller ab. "Dadurch entstehen Eisplatten. Jeder, der viel Erfahrung hat, kann bestätigen: Auf Naturschnee fährt es sich besser, Kunstschnee ist etwas schnittiger."

Für erfahrene Sportler:innen sei der Kunstschnee aber nicht per se ein Problem, erklärt Pohl: "Der ist griffig, der lässt sich auch gut kontrollieren - sofern man entsprechend präparierte Ski hat."

Fehlende Vorbereitung und schwache Fitness werden zum Problem

Neben dem viel zu warmen Winterwetter ist auch die fehlende Fitness bei vielen Skifahrer:innen ein Problem. Denn viele von ihnen legten in den Corona-Jahren eine Skipause ein, sagt Knaus der dpa.

"Es ist aber schon länger ein Grundtenor, dass man sich weniger gut auf die Skisaison vorbereitet. Früher hat man im September, Oktober mit dem Skitraining angefangen und hat gutes eigenes Können entwickelt, heute finden Reisen viel spontaner statt. Das Urlaubsverhalten hat sich verändert". Die Herausforderung sei, den körperlichen Zustand an das Vorhaben anzupassen.

Beim Skisport auf 2000 oder 3000 Metern sei gute Kondition wichtig. "Dort ist die Sauerstoffsättigung ganz anders", sagt Knaus.

5 der 13 Toten in Österreich erlitten einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Freizeitsportler:innen sollten sich vor dem Urlaub durchchecken lassen. "Am besten wäre vorher ein Leistungs-EKG, das zeigt, ob man für die geplante sportliche Betätigung geeignet ist."

Zu schnell und mit zu wenig Abstand unterwegs

Doch Fitness allein reicht nicht für Sicherheit auf der Piste: Manche Wintersportler:innen sind viel zu schnell unterwegs und halten nicht genug Abstand zu Pistenrändern und anderen Leuten.

"Man sollte eigentlich immer in der Lage sein, dass man anhalten kann, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert", rät Pohl. Außerdem empfiehlt er, einen Helm und Rückenschutz zu tragen.

Früher seien die Menschen besser Ski gefahren, findet der ÖKAS-Präsident Peter Paal, im Hauptberuf Anästhesist. "Es nützt der beste Formel-1-Bolide nichts, wenn der Pilot schlecht ist. Und bezogen auf das Skifahren muss man sagen: Die Piloten sind schlechter geworden", sagt Paal der Agentur APA.

Schwere Unfälle sind oft Eigenverschulden

Viele tödliche Unfälle seien auf Eigenverschulden zurückzuführen, sagt der Präsident des Österreichischen Alpenvereins, Andreas Ermacora, dem Sender ORF Tirol. "Wenn man über den Pistenrand hinausfährt und gegen einen Baum prallt, ist das sehr tragisch, man kann es aber dem Pistenbetreiber nicht anlasten."

Bei seinem Risikoverhalten müsse man berücksichtigen, dass bei einem Unfall am Berg die Rettung oft nicht so schnell und effizient sei wie etwa bei einem Straßenunfall, gab Knaus zu bedenken. "Das eigene Sturzrisiko kann man am besten mit guter Vorbereitung, gutem Material und genügend Abstand zu anderen verringern."

Das rät auch Wolfgang Pohl: "Sicherheitsabstand einhalten und Tempo reduzieren - das ist das Wichtigste."

Wie sehr die Skigebiete mit dem ausbleibenden Schnee zu kämpfen haben.

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