Kai Zorn bloggt: Wann endet die Dürre?
Das trockene Wetter in 2018 ist extrem - aber auch nichts Einmaliges. Kai Zorn zieht historische Vergleiche und glaubt nicht an einen weiteren Dürre-Sommer 2019.
Der ewige Sommer 2018 ist nach 6,5 Monaten Geschichte. Und wie so oft beim Wetter polarisiert eine solch große Jahreszeit - in diesem Fall der Sommer. Bei Interview-Anfragen ist sogar vom "Schock" die Rede, dass der Sommer rum ist oder gar von "Angst", dass nun der Sommer wirklich nicht mehr weitergeht. Ich bin zwar nicht auf den Mund gefallen, aber da habe ich schon mal nix gesagt, weil mir dazu aber auch wirklich nichts mehr einfiel ;).
Und dann ist da die andere Seite. Menschen die sich endlich Regen wünschen, die sich eine andere Jahreszeit wünschen, den Herbst, den Winter. Diese Gattung von Menschen ist sogar sehr stark präsent, wird aber medial so gut wie gar nicht vertreten, so dass (fast) immer der Eindruck entsteht, Sonne ist gut, Regen ist schlecht.
Regen ist eine wichtige Lebensgrundlage
Aber so ganz langsam sickert dann doch die Botschaft durch, dass Regen doch gar nicht so schlecht ist - im Gegenteil: Es ist eine Lebensgrundlage. Ohne Wasser ginge nichts und es geht gerade immer weniger. Die Transportkosten für Öl sind inzwischen um das Vierfache gestiegen, da die Wasserwege nur noch bedingt nutzbar sind. Brunnen fallen trocken, Stauseen sind leer.
In Zeiten des ewigen Weltuntergangs (1970er Jahre: Eine neue Eiszeit kommt. 1980er Jahre: In 10 Jahren gibt es keine Wälder mehr. 1990er Jahre: In 15 Jahren ist Skifahren unterhalb von 1500 Meter Höhe nicht mehr möglich. 2000er Jahre: In 10 Jahren wird die Arktis im Sommer eisfrei sein. 2010er Jahre: Alles ist Klimawandel.) kann einem da angst und bange werden. So was gab es ja noch nie… wirklich nicht?
In der Geschichte Europas gab es noch schlimmere Dürren
Rollen wir doch erst mal den großen Zeitteppich von etwas über 1000 Jahren aus. Es gab zwei große Dürrekatastrophen in Europa: 994 und 1540. Diese beiden Jahre (und Sommer) spielen in einer anderen Liga und sind mit heute nicht vergleichbar. Da bräuchte es noch "etwas weniger Wasser" - im Sinne von: Damals konnte man in manchen Flussbetten selbst in eineinhalb Metern Tiefe kein Wasser mehr finden.
Wir haben es in diesem Jahr mit einem besonderen und auch extremen Ereignis zu tun, aber mit keinem "extremen Extrem". Viele Flüsse führen derzeit historisch niedrige Wasserstände, allen voran der Rhein. Die Pegelstände haben die Rekordmarken von 2003 bereits unterschritten.
Anders sieht es allerdings mit den Abflussmengen, also der Menge des Wassers, aus. Für das Gebiet des Mittelrheins bei der Loreley gibt es noch deutlich über 500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Es gab drei Jahre, die weniger als 500 m³/s hatten - allen voran das Jahr 1947. Es ist also faktisch tatsächlich noch Luft nach unten. Die Zeitreihen gehen bis ungefähr in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf Platz 2 liegt das Jahr 1857.
Sommer 1947 vergleichsweise katastrophaler
Das Jahr 1947 dürfte vielen bekannt sein. Nach dem "Hungerwinter" mit großer Kälte durch Hochdruckgebiete folgten ein trockenes Frühjahr und ein heißer Dürresommer. Für die Nachkriegszeit damals eine Katastrophe. Das war seinerzeit definitiv schlimmer als heute!
Das Jahr 1857 ist jetzt weniger bekannt ;). Das gesamte Jahr 1857 war hochdruckgeprägt. Ein Hoch nach dem anderen baute sich auf. Der Hochdruck startet mit einem goldenen Oktober 1856. Der November brachte Kälte und Winterwetter, der Dezember eine Mischung aus Hochdruck, Tauwetter und einem großen Kaltluftvorstoß um die Weihnachtszeit, ehe ein kalter Winter mit vielen Hochs begann. Diese Hochs sollten sich über Frühjahr, Sommer und Herbst bis in den Winter 1858 ziehen. Und erst im Frühjahr 1858 gab es erste Zerfallserscheinungen des Dauerhochdrucks, der dann schließlich im Sommer 1858 zu Ende ging.
Die Natur war früher noch intakt
Das mit dem Dauerhochdruck in diesem Jahr ist also keinesfalls neu - im Gegenteil. Das ist so normal wie alles andere auch, kommt nur nicht so oft vor.
Und dann müssen wir noch etwas berücksichtigen: Unsere Natur sah vor mehreren hundert Jahren gänzlich anders aus. Der Rhein zwischen Basel und Bingen war 81 km länger, die Elbe insgesamt über 100 km länger. Die Natur war intakt ohne Flurbereinigung und Monokulturen. (Laut gedacht: Wir hätten heute weitaus weniger "Katastrophen", wenn die Natur Natur sein dürfte und nicht vom Mensch zerstört worden wäre/würde. Ist ein anderes Thema.)
Dürre 2018 im Rahmen des schon mal Dagewesenen
Damit kehren wir zurück zu unserem Dürrejahr 2018, das zweifelsohne ein absolut besonderes Jahr ist. Es ist am oberen Rande unserer aktuellen Klimagrundlage. Die heißesten Sommer aus der Zeit der Kleinen Eiszeit lagen bei 18 bis 19 Grad. Damals war es ca. ein Grad kälter als heute. Rechnen wir das eine Grad drauf, sind wir bei 19 bis 20 Grad. Die Relation passt. Die Dürre ist, trotz der massiven Eingriffe des Menschen in die Natur, auch im Rahmen des schon mal Dagewesenen. Ich finde das als Einordnung sehr wichtig und persönlich auch beruhigend!
Bitte verstehen Sie mich hier richtig! Ich möchte nichts klein- oder schönreden, sondern versuchen einzuordnen, weil mich das Thema nicht nur von Haus aus interessiert, sondern aufgrund der vielen Anfragen auch etwas beunruhigt(e). Es gibt Menschen mit Angst. Angst davor, dass das mit der Trockenheit so weitergeht, vielleicht sogar in den nächsten Jahren und dass im nächsten Jahr eine große Katastrophe kommen könnte und würde. Zudem gingen in diesem Jahr wieder so super seriöse Aussagen durch die klickhaschigen Medien, dass die nächsten 4 Jahre angeblich noch heißer werden.
Nässe kommt - aber wo und wie viel?
Und jetzt kommen wir zum nächsten Punkt. Wie geht es denn weiter? Es kommt Nässe, es kommt endlich Nässe! Wie viel da genau kommt, ist und bleibt unsicher. Zumindest der Osten und weite Teile des Alpenraums bekommen Niederschlag, in den Hochlagen meist aber Schnee. Das Feintuning des Polarlufteinbruchs oder Polarluftstreifschusses am kommenden Wochenende muss erst noch vollzogen werden.
Zieht die Kaltluft westlich an uns vorbei und es kommt zu so genannten Aufgleitvorgängen, dann regnet es viel - auch im Rheineinzugsgebiet. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist nicht allzu groß, aber vorhanden.
Art Vb-Lage mit Tief über Italien wahrscheinlich
Die Variante mit einer Art Vb-Lage samt bodennaher Kaltluft und einem Tief über Italien ist tendenziell wahrscheinlicher. Sie würde dem Ostalpenraum jede Menge Niederschlag bringen; das meiste als Schnee. Der Nachschub für die Flüsse wäre jetzt nicht allzu dolle, da sehr viel vom Niederschlag einfach gebunden hoch droben in den verschneiten Alpen weilt und auf die nächste Schmelzsaison wartet.
Und da die Wettermodelle mehr oder weniger eine Fortführung der Hochdruckdominanz simulieren, ist wohl ergiebiger Regen für längere Zeit nicht in Sicht. Und diesen bräuchten wir - über Wochen und Monate.
Zirkulationsumstellung für West-Wind-Winter notwendig
Das amerikanische Langfristmodell NOAA berechnet einen solchen (milden) West-Wind-Winter mit überdurchschnittlichen Niederschlägen und durch die Milde oft als Regen unterhalb von 1000 Meter Höhe, so dass sich die Wasserspeicher unten langsam füllen könnten.
Für einen West-Wind-Winter bedarf es allerdings einer kompletten Zirkulationsumstellung in der Nordhemisphäre. Danach sieht es (noch) nicht aus. Wenn dieser Ruck nicht kommt, ginge die negative Niederschlagsbilanz auch für den Rest des Herbstes und im Winter weiter. Die Wahrscheinlichkeit ist hierfür relativ hoch. Das klären wir aber an anderer Stelle mit den Aussichten auf das Winterwetter und die möglichen Strukturen.
Sommer 2019 wohl nicht wieder so trocken - ein paar Beispiele
Kommen wir zurück zur Frage nach dem Ende der Dürre und den verständlichen Ängsten sicherlich vieler Menschen, dass das so weitergeht mit der Dürre und dass im kommenden Jahr wieder ein solcher Sommer kommt. Nein, das ist fast auszuschließen. Ich möchte Sie und Euch jetzt einfach mal anhand von statistischen Gegebenheiten beruhigen.
- Beginnen wir mit dem Wahnsinnsjahr 1540! Die Trockenheit hielt von Februar bis Dezember an. Selbst im Dezember war es seinerzeit noch so warm, dass man im Rinnsal Rhein baden gehen konnte. Der nächste Sommer mit einer längeren, in diesem Falle 4monatigen Sonnen- und Wärmeperiode, kam erst 1547. Davor wurde es nass. Die Jahrtausenddürre ging also relativ rasch zu Ende.
- Im eben genannten Jahr 1857 begann im darauffolgenden Frühjahr 1858 der Hochdruck langsam zu bröckeln. In der Folge kam es zu einer gänzlich anderen Witterung mit einem auffällig heißen Juni und einem eher nass-kalten Hochsommer. Keine Dürre mehr.
- Die Dürre von 1947, die mit dem November 1946 losging, hielt exakt ein Jahr. Es folgten ein sehr nasser November und ein sehr nasser Dezember. Der Sommer drauf wurde ebenfalls sehr nass.
- Blicken wir auf weitere Dürre-Jahre wie zum Beispiel 1911: Das Jahr drauf wurde nass, vor allem der Sommer. Dem Dürrejahr 1921 folgte ein nasses Jahr mit einem nassen Sommer, ebenso 1929.
- Und wir können in der Statistik weiter Ausschau halten: Alle Jahre, die extrem trocken waren UND dabei noch einen auffällig trockenen Sommer hatten, wurden im Folgejahr ausgeglichen. Auch das Dürrejahr 2003 mit seinem Hitzesommer bekam im Anschluss ein zu nasses Jahr und einen zu nassen (Früh)Sommer!
Seit Aufzeichnungsbeginn: Dürrejahr findet keine Verlängerung
Seit den Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes (1881) war die Kombination Dürrejahr und Dürresommer stets allein und fand nie eine Verlängerung. Oftmals kam es sogar zu einer Art Gegenbewegung mit einigen feuchteren Jahren und vor allem durchwachsenen Sommern in der Folge. Und soweit ich die letzten 500 Jahre für meine Buchrecherchen durchforstet habe, kam dies auch vor Beginn der Aufzeichnungen in den ganzen Chroniken quer durch die Jahrhunderte nicht vor!
Die ausgeprägte Hochdruckphase des Jahres 2018 ist ebenfalls ein Ereignis, das es in der Geschichte immer wieder gegeben hat. Solche Extremlagen hielten gut und gerne zwischen 9 und 15 Monaten - und da ist und war es schnurtspiepsegal, ob wir uns in einer besonders warmen oder besonders kalten Epoche befunden haben. Und mit dem mehr oder weniger Eis am Nordpol und dem so genannten "Fehlenden Ausgleich" hat das gar nichts zu tun. Im Jahre 1976 gab es mit seinen Hochs und seiner Dürre am Nordpol Eis ohne Ende und die Eisberge zogen bis vor die portugiesische Küste. Den Hochs war das wurscht…
Fazit: Flüsse und Seen sind 2019 wieder voll
Das war mal wieder ein großes Schmökern mit viel Interessantem und, wie ich finde, auch Beruhigendem.
Halten wir als Fazit fest: Die Dürre wird auf Dauer zu Ende gehen, entweder in den kommenden 4 bis 8 Wochen mit dem Erstarken des Polarwirbels und dem Anspringen der Westdrift oder aber erst mit dem Ende des Winters. Mit dem, was wir besprochen haben, ist die Natur nächstes Jahr wieder im Saft und die Flüsse und Seen sind voll. Die einzige Angst, die bleibt, ist die der Medien, dass die Sonne nicht scheinen könnte…
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