"Handelt!": Flutbetroffene schicken Brandbrief an Christian Lindner
Nach der Ahrtal-Flut wurde den Betroffenen unbürokratische Hilfe versprochen. Doch auch 1,5 Jahre später gibt es Probleme. In einem Brandbrief fordern Flutopfer auf eine Gesetzesänderung.
Häuser im Rohbauzustand, mit Schlamm befüllte Eimer vor einer Kirche, zerstörte Straßen: Mehr als 1,5 Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal stockt der Wiederaufbau noch immer.
Manche Betroffene können noch immer nicht zurück in ihre Häuser und müssen mit ihren Familien in kleinen Containern wohnen. Spendengelder werden zum Teil erst jetzt ausgezahlt, einige warten weiterhin auf die versprochenen Hilfen.
Nachdem mit der Enthüllung des Mahnmals in Ahrweiler die bundesweite Kampagne vom museum of modern ahrts startete, schicken Flutbetroffene und Helfer nun einen Brandbrief an Bundesfinanminister Christian Lindner – auch mit Blick auf die Erdbeben in der Türkei und Syrien.
Mehr Tempo bei Katastrophenhilfe
Es gehe um mehr Tempo und mehr Rechtssicherheit bei Spenden in Krisen - Katastrophenhilfe sei generell immer noch nicht gemeinnützig.
Das Bundesfinanzministerium will nach eigenen Angaben den geplanten, deutschlandweit bis 31. Dezember 2023 geltenden Katastrophenerlass für Erdbebenopfer künftig auf seiner Internetseite veröffentlichen:
"Er enthält Verwaltungserleichterungen für Unternehmen, Vereine und Engagierte - wie zum Beispiel vereinfachter Zuwendungsnachweis, Sammeln und Verwendung von Spenden auch außerhalb des satzungsmäßigen Zweckes, lohnsteuerliche Erleichterungen, Ausnahmen von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe."
Bundesfinanzministerium: "Gesetzliche Tatbestände können Szenarien nicht lösen"
Zur Forderung der Ahrtal-Kampagne, das Spendenrecht generell zu vereinfachen, heißt es von Seiten des Bundesfinanzministeriums: "Katastrophen sind temporär auftretende Ereignisse".
Auf diese müsse rasch und bedarfsgerecht zugeschnitten reagiert werden. "Gesetzliche Tatbestände können derartige Szenarien nicht abstrakt vorwegnehmen und lösen", heißt es weiter. Ein bundesweiter Erlass sei "ein jahrelang erprobtes und bewährtes Vorgehen in Katastrophenfällen".
Kampagne dringt auf dauerhafte Gesetzesänderungen
Die Ahrtal-Kampagne dringt dagegen auf dauerhaft gültige Gesetzänderungen und nicht nur befristete Erlasse. Der Vorsitzende des Flutspenden-Vereins "AHR - A Wineregion needs Help for Rebuilding", der Winzer Marc Adeneuer, beispielsweise teilte mit, er habe einst seinen teils noch stärker flutgeschädigten Kollegen im Ahrtal helfen wollen - zunächst vergeblich.
Erst nach langem Ringen mit Behörden habe er eine Sonderregelung aushandeln können, um die Einnahmen von verkauftem "Flutwein", also teils schlammverkrusteter Flaschen mit ungeschädigtem Inhalt, an betroffene Weingüter auszahlen zu können.
"Andernfalls hätte unserem im Eilverfahren gegründetem Spendenverein die Gemeinnützigkeit aberkannt werden können. Das hätte für mich hohe Steuerzahlungen aus meinem Privatvermögen bedeutet. Ich wäre haftbar gewesen", erklärte der Vereinschef.
"Geld muss schneller fließen als die Flut"
Die Kampagne museum of modern ahrts, die wetter.com als Medienpartner unterstützt, dient zur Erinnerung an die Flutkatastrophe 2021 und wird auf digitalen Plakattafeln und im Vorprogramm von Kinos sowie im Fernsehen und Internet gezeigt.
Zum Spendenrecht heißt es in der Kampagne etwa: "Geld muss schneller fließen als die Flut." Mitinitiator Daniel Koller: "Menschen spenden Geld, um schnell zu helfen. Kommt die Hilfe nicht oder zu spät an, könnte das die Bereitschaft, bei der nächsten Krise zu spenden, verringern."
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