Klimawandel: Diese Folgen sind bereits Realität
Der Klimawandel ist längst Realität. Für viele scheinen die negativen Folgen jedoch in weiter Zukunft zu liegen. Dabei sind einige schon jetzt eingetreten – auch in Deutschland.
Im Dezember 2015 unterzeichneten Industrie- und Schwellenländer gemeinsam das Pariser Klimaschutzabkommen. Bereits damals war klar: Wir müssen etwas ändern und zwar schnell. Deshalb einigte man sich auf das langfristige Ziel durch unterschiedliche Maßnahmen den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 2 Grad Celsius (°C) gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, idealerweise auf "nur" 1,5°C.
Deswegen sollten und sollen vor allem die Treibhausgas-Emissionen deutlich sinken. Letztlich ist es nämlich relativ simpel: Je mehr Treibhausgase sich in unserer Atmosphäre befinden, desto stärker erwärmt sie sich.
Und wo stehen wir im Hinblick auf dieses Ziel jetzt?
Heute wird bereits von einer durchschnittlichen globalen Erderwärmung von rund 1°C ausgegangen. Über den Landflächen hat der weltweite Temperaturanstieg die 1,5°C sogar bereits überschritten, wie der Weltklimarat IPCC in einem Bericht vom August 2019 erklärte. Die Meeresflächen erwärmen sich langsamer.
Der langjährige Trend zeigt außerdem, dass nur für Deutschland betrachtet in den letzten etwa 130 Jahren im Mittel bereits eine Erwärmung um rund 1,5 Grad Celsius zu verzeichnen war.
Der Weltklimarat hatte im Jahr 2018 vor den Auswirkungen gewarnt, falls die globale Temperatur insgesamt über 1,5 Grad steigen sollte. Schafft die Welt es nicht die Emissionen zu senken, wird von einer Erderwärmung von bis zu 5°C ausgegangen. Eine Modellberechnung des Klimazentrums Pierre Simon Laplace hält bis 2100 sogar eine Erwärmung von 7°C für möglich.
Die globale Erwärmung von 1,5°C werden wir dem IPCC-Bericht zufolge vermutlich zwischen 2030 und 2052 erreichen. Doch schon jetzt sind die Folgen des Klimawandels sichtbar. Einige Beispiele dafür haben wir für euch zusammengetragen.
1. Permafrost: Gigantischer Treibhausgasspeicher taut bereits auf
Die Erderwärmung schreitet an den Polen schneller voran als in den Tropen. 25 Prozent der Landfläche auf der Nordhalbkugel besteht aus dauerhaft gefrorenen Böden. Dazu zählen beispielsweise Alaska, der Norden Kanadas und große Teile Sibiriens. In über 20 Millionen Quadratkilometern sind gigantische Mengen an Kohlendioxid und Methan gespeichert. Tauen die Böden auf, zersetzen sich nämlich die darin enthaltenen abgestorbenen Pflanzenreste und die Klimagase entweichen.
Wissenschaftler gehen laut der Earth System Knowledge Platform der Helmholtz-Gemeinschaft davon aus, dass der gefrorene Boden zwischen 1.300 und 1.600 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan (CH4) enthält. Zum Vergleich: Die gesamte Atmosphäre enthält momentan rund 800 Gigatonnen Kohlenstoff.
Die Karte zeigt das Vorkommen von Permafrostböden auf der Nordhalbkugel. Quelle: Tanja Hildebrandt/Helmholtz
Den Zusammenhang zwischen Permafrost und Klimawandel verdeutlicht diese Grafik:
Der Permafrostkreislauf, Quelle: Tanja Hildebrandt/Helmholtz (Quelle: AWI)
In Kanada ist die Permafrostgrenze bereits um 100 Kilometer zurückgewichen. Die Landschaft der kanadischen Arktis ändert sich dadurch massiv, da Bodenoberflächen aufgrund der fehlenden Eisschicht teilweise zusammenbrechen.
In einer Studie, über die wir im Juni 2019 berichteten, wurde festgestellt: Die Permafrostböden weichen viel schneller auf als bisher angenommen.
Permafrostböden werden als Kippelemente des Ökosystems Erde bezeichnet. Das bedeutet, sie können in einen neuen Zustand kippen.
2. Das Eis der Erde schmilzt besorgniserregend schnell
Sowohl in Grönland als auch in der Antarktis beobachten die Wissenschaftler derzeit einen Massenverlust. Das heißt, die Gletscher fließen schneller und transportieren mehr Eis vom Inland in den Ozean.
Im August 2019 wurde der erste Gletscher auf Island offiziell für "tot" erklärt. Er war 700 Jahre alt. Im Jahr 1890 war die Eisschicht des Okjökull noch über 50 Meter dick. Heute sind es nur noch 15 Meter, wodurch der Gletscher-Status verloren ging. Die übrigen Gletscher der Erde schmelzen ebenfalls mit zunehmender Geschwindigkeit, weltweit verlieren diese laut einer Studie vom April jährlich rund 335 Milliarden Tonnen Eis. Das lässt nicht nur den Meeresspiegel steigen - mit ihnen schwinden auch wichtige Wasserspeicher für Mensch und Natur.
Quelle: dpa
Zudem friert der Nordpol im Winter kaum mehr zu. Die von Meereis bedeckte Fläche in der Arktis ist so klein wie seit sieben Jahren nicht mehr. Nur noch rund 3,9 Millionen Quadratkilometer des Arktischen Ozeans sollen zum Ende der Schmelzperiode Ende September mit Meereis bedeckt sein. Das ist seit Beginn der Satellitenmessungen im Jahr 1979 erst das zweite Mal unter vier Millionen Quadratkilometer.
"Dies bedeutet einschneidende Veränderungen für die Arktis, mit Konsequenzen für das Klima- und Ökosystem und uns Menschen, einschließlich in Europa", betonte Christian Haas, Geophysiker und Leiter der Meereissektion am AWI. Es ist ein Teufelskreis: Schmilzt das Eis, reflektiert das darunterliegende dunkle Wasser weniger Sonnenstrahlen und es wird wärmer, wodurch noch mehr Eis schmilzt.
Satellitenaufnahmen zeigen, wie viel Eis auf Grönland zwischen 1984 und 2018 verschwunden ist. Quelle: Google Earth Engine, Google Timelapse (Landsat, Sentinel-2)
Weitere Bilder, die die bereits vollzogenen Veränderungen durch den Klimawandel veranschaulichen, findest du in unserer Bildergalerie:
Veränderter Planet: Stumme Zeitzeugen des Klimawandels
3. Steigender Meeresspiegel bedroht Metropolen auf der ganzen Welt
Der Meeresspiegel steigt nach Auskunft der Weltwetterorganisation WMO durch Eisschmelze und Wassererwärmung immer schneller. Derzeit sind es im Schnitt über drei Millimeter pro Jahr. Es wird davon ausgegangen, dass der Meeresspiegel etwa 1000 Jahre weiter ansteigen wird, selbst wenn wir die Erderwärmung schon heute stoppen.
Insgesamt ist der Meeresspiegel seit 1900 im globalen Durchschnitt schon um über 20 Zentimeter gestiegen laut Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. "Das klingt wenig, aber etwa bei Hurrikans ist es bedeutend, ob bestimmte Stadtflächen überflutet werden oder nicht", erklärt der Ozeanograf. Bis Ende des Jahrhunderts könnten es ein Meter oder mehr werden.
An der nordamerikanischen Atlantikküste und ausgerechnet auch bei den Tropeninseln steige der Meeresspiegel allerdings besonders rasch, sagt der Ozeanograph Detlef Stammer von der Universität Hamburg. Großstädte wie New York, Shanghai oder auch Hamburg werden langfristig unterhalb des Meeresspiegels liegen, wenn nichts unternommen wird.
4. Der Klimawandel macht unser Wetter extremer
In der Debatte rund um den Klimawandel werden die Begriffe
häufig miteinander verwechselt. Das Klima bezeichnet den Mittelwert von Witterungseinflüssen, die über einen längeren Zeitraum gemessen werden, wohingegen das Wetter den momentanen physikalischen Zustand der Atmosphäre beschreibt, der sich tagtäglich verändert. Steigen die durchschnittlichen Temperaturen langfristig an, spricht man von Klimaerwärmung.Wandelt sich das Klima, wie es aktuell der Fall ist, verändert sich auch das Wetter. Das bedeutet nicht, dass einzelne Extremereignisse auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Treten sie jedoch häufiger auf als im Vergleichszeitraum, ist das durchaus der Fall. Auch in Deutschland bekommen wir erste Folgen des Klimawandels bereits zu spüren.
Folgen des Klimawandels für das Wetter in Deutschland
So zeigt beispielsweise der Klimareport Niedersachsen, dass der Frühling seit 1991 zehn bis 16 Tage früher beginnt als in den Dekaden zuvor – natürlich mit regionalen Unterschieden. Gleichzeitig hat sich der Sommer im Schnitt verlängert und die Bäume werfen ihre Blätter im Herbst später ab. Auch die Temperaturen liegen mehr und mehr über dem langjährigen Mittel, wie die nachfolgende Grafik zeigt:
Quelle: Deutscher Wetterdienst (DWD)
Vom 24. bis 26. Juli 2019 gab es eine außergewöhnliche Hitzewelle in Deutschland. An drei aufeinanderfolgenden Tagen erreichten wir Höchsttemperaturen von über 40°C im Westen Deutschlands. Solche Werte hatte es bisher nur sehr selten und regional begrenzt gegeben. Am 25. Juli 2019 wurde an der Station Lingen im Emsland schließlich ein neuer nationaler Allzeitrekord von 42,6°C aufgestellt. Der frühere Hitzerekord von 40,5°C aus dem Jahr 2015 aus Kitzingen wurde an 14 Messstationen übertroffen. Insgesamt wurden an dem Tag an 25 Stationen Höchsttemperaturen über 40°C gemessen.
Diese Hitzewelle trat zusätzlich nur wenige Wochen nach der Hitzewelle Ende Juni ein. Der Juni 2019 war im deutschen Durchschnitt der wärmste Juni seit Beginn der Aufzeichnungen.
Auch 2020 war ein zu warmes Jahr. Sowohl in Deutschland als auch weltweit war es sogar das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen:
Wetterbilanz: 2020 auch weltweit zweitwärmstes Jahr
Auf der ganzen Welt: Das Wetter wird extremer
Nicht nur in Deutschland kam es 2019 zu neuen Rekorden: Auch in Großbritannien, den Niederlanden, in Belgien und in Luxemburg gab es nationale Hitzerekorde. Der Hochdruckeinfluss reichte sogar bis nach Skandinavien, denn auch dort gab es neue Temperaturrekorde.
Doch auch die Arktis war von steigenden Temperaturen betroffen. Es kommt dort jedes Jahr zu Bränden. Doch 2019 traten sie ungewöhnlich früh auf und nahmen ein besonders großflächiges Ausmaß an, da der Juni 2019 dort rund 10 Grad wärmer war als im langjährigen Mittel. Tausende Quadratkilometer Torflandschaft brannten. Diese waren aufgrund der ungewöhnlich hohen Temperaturen besonders trocken.
Am Polarkreis wüteten heftige Brände. Auch Batagai in Russland war betroffen. Quelle: Twitter/Pierre Markuse
Dass wir aufgrund des Klimawandels auch in Zukunft häufiger mit Hitzewellen rechnen müssen, liegt am verlangsamten Jetstream. Im Video erfährst du, warum:
5. Extreme Hitzewellen fordern mehr Todesopfer
Auch auf unsere Gesundheit nimmt der Klimawandel großen Einfluss. So führt er in manchen Regionen der Welt dazu, dass es weniger Kältetote gibt, in anderen hingegen mehr Hitzetote. An den Folgen der großen Hitzewelle im Jahr 2018 sind allein in Berlin etwa 490 Menschen gestorben. In den ungewöhnlich heißen Sommertagen in den Jahren 2006 gab es in Berlin 390 Hitzetote, 2015 waren es dort 310. Das geht aus Berechnungen des Robert-Koch-Instituts hervor.
"Als Folge des Klimawandels treten in Deutschland seit etwa der Jahrtausendwende Hitzewellen in einer ungewöhnlichen Häufigkeit auf", schreibt das Institut in einem Bulletin. "Starke und/oder längere Hitzewellen führen dabei regelmäßig zu einer erhöhten Mortalität, besonders in den älteren Altersgruppen."
6. Schon heute müssen Menschen aufgrund des Klimawandels flüchten
Ein aktuelles Beispiel für Klimaflucht ist Somalia. Fast 250.000 Menschen sind dort wegen der Dürre und Konflikten geflüchtet laut dem Protection and Return Monitoring Network (PRMN).
In dem Land gibt es immer wieder Dürreperioden. 2019 etwa kam der erste Regen sehr spät und war unregelmäßig, wie das UN-Nothilfebüro mitteilte. Die meisten Menschen auf dem Land in Somalia sind Kleinbauern oder Viehhirten. Wenn wegen Dürre die Ernte ausfällt oder das Vieh stirbt, verlieren die Menschen ihre Lebensgrundlage.
In Zukunft werden noch viel mehr Klimaflüchtlinge weltweit erwartet: Sonderbericht Weltklimarat: 280 Millionen Klimaflüchtlinge erwartet
7. Wichtige CO2-Speicher: So sehr leiden Deutschlands Wälder
In Deutschland erkennt man die Folgen des Klimawandels vor allem an den Wäldern. Der Waldzustandsbericht 2020 zeigt: Die vergangenen drei Dürrejahre, der massive Borkenkäferbefall, Stürme und vermehrte Waldbrände haben in den Wäldern langfristig massive Schäden angerichtet. Die jetzigen Ergebnisse gehören zu den schlechtesten seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984, die meisten Bäumen haben lichte Kronen.
Abgestorbene Fichten stehen im Wald auf dem Taunushauptkamm zwischen Sandplacken und Saalburg (September 2019). Quelle: dpa
Gleichzeitig reagieren auch Insekten und Pilze sehr schnell und sensibel auf Klimaveränderungen. So vermehren sich in manchen Regionen beispielweise explosionsartig Raupen, wie der Schwammspinner oder der Eichenprozessionsspinner, die Eichen und andere Laubbäume kahlfressen.
Durch die Klimaveränderung fühlen sich oft auch Schädlinge aus anderen Kontinenten bei uns heimisch und befallen unserer Wälder. So wurde beispielsweise ein Wurm aus Nordamerika in Brandenburg zu einem großen Problem.
Auch die massenhafte Vermehrung der Fichtenborkenkäfer in Mitteleuropa steht nach Überzeugung vieler Wissenschaftler im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Normalerweise werden die Käfer nämlich durch Harzbildung von den Bäumen abgewehrt. Ist es jedoch zu trocken, funktioniert dieser Vorgang nicht mehr.
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Verwendete Quellen:
- Deutscher Klimarat IPCC
- Deutsches Klima-Konsortium
- Umweltbundesamt
- Dpa
- Robert Koch-Institut
- Greenpeace
- Wissensplattform "Erde und Umwelt"