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Unwetter

Fast 2200 Tote nach Beben in Haiti - Überlebenden fehlt Hilfe

Fr 20.08.2021 | 09:20 Uhr - Redaktion - Quelle: dpa
Erst das Beben, dann der Sturm: GRACE verschärft Lage in Haiti

Immer weiter steigen die Zahlen, die nach und nach das Ausmaß des Leids in Haiti nach dem Beben offenbaren. Vielerorts ist noch keine Hilfe angekommen, in die Verzweiflung mischt sich Wut.

Nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti hat die schleppend anlaufende Hilfe einige schwer betroffenen Orte bis zum Donnerstag immer noch nicht erreicht. Manche Ortschaften waren fast vollständig zerstört und warteten weiterhin auf dringend benötigte Dinge wie Lebensmittel, Trinkwasser, Medizin und Zelte, berichtete etwa die Zeitung "Le Nouvelliste" aus dem südhaitianischen Department Sud.

Überlebenden fehlt Hilfe

Angesichts der Not und verstärkt aufkommender Wut der Bewohner forderten gewählte lokale Vertreter den Staat zum Handeln auf, hieß es. Die Zahl der bestätigten Todesopfer stieg erneut deutlich um fast 250 auf 2189, wie die Zivilschutzbehörde am Mittwochabend (Ortszeit) mitteilte.

Das Land sei physisch wie psychisch verwüstet, betonte Interims-Premierminister Ariel Henry in einer Ansprache an die Nation. Eine Arbeitsgruppe mit Beteiligung der Zivilgesellschaft und des Privatsektors werde alle Spenden zentral verwalten, um sie besser zu verteilen, sagte der Übergangs-Regierungschef. Henry rief zur Einigkeit auf.

GRACE sorgt für Überschwemmungen

Der Chef des Zivilschutzes, Jerry Chandler, räumte im Radiosender Magik9 Verzögerungen bei der Verteilung von Hilfsgütern ein, wie die Zeitung "Le Nouvelliste" berichtete. Er begründete dies demnach mit der schwierigen Organisation, die durch den Durchzug des Tropensturms GRACE in der Nacht zum Dienstag zusätzlich erschwert worden sei.

Dieser hatte mancherorts Überschwemmungen verursacht und zahlreichen Überlebenden zugesetzt, die im Freien schliefen.

16 Menschen lebend gefunden

Es gab allerdings auch Hoffnungsschimmer: Am Dienstagmorgen (Ortszeit), drei Tage nach dem Beben, wurden nach Angaben des Zivilschutzes in der Ortschaft Brefèt aus den Trümmern eines früheren UN-Gebäudes 16 Menschen lebend geborgen.

Auch kam allmählich Hilfe in der Erdbebenregion an. Die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) flog nach eigenen Angaben 52 Menschen zur medizinischen Behandlung aus. Die Krankenhäuser in der Gegend waren überlastet, schlecht ausgestattet, personell unterbesetzt und selbst beschädigt.

Über eine Million Menschen von Katastrophe betroffen

Das Beben der Stärke 7,2 hatte sich am Samstagmorgen (Ortszeit) nahe der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Nach Angaben des Zivilschutzes wurden 332 Menschen noch vermisst. Mindestens 12.268 Menschen seien verletzt worden. Knapp 53.000 Häuser seien zerstört und gut 77 000 beschädigt. Laut UN-Kinderhilfswerk Unicef waren 1,2 Millionen Menschen von der Katastrophe betroffen.

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,0 im Januar 2010 waren in Haiti, dem ärmsten Land Amerikas, mehr als 220.000 Menschen ums Leben gekommen und mehr als eine Million Menschen obdachlos geworden. Der Wiederaufbau litt stark unter Korruption und Verschwendung.

Wie die Regierung mitteilte, fuhren am Mittwoch mehr als zehn Lastwagen mit Hilfsgütern in die Erdbebenregion im Südwesten des Karibikstaates. Zuvor war nach UN-Angaben ausgehandelt worden, dass Hilfskonvois die Hauptstraße zwischen der Hauptstadt Port-au-Prince und dem Süden des Landes befahren dürfen, die von Banden kontrolliert wird. Deren Kämpfe um Territorien legen Teile von Port-au-Prince immer wieder lahm und trieben laut UN allein im Juni rund 15 000 Menschen in die Flucht.

Gesundheitseinrichtungen überlastet

Die Direktorin der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (Paho), Carissa Etienne, teilte mit, die Gesundheitseinrichtungen im Erdbebengebiet seien überlastet, 20 von ihnen seien durch das Beben beschädigt und vier zerstört worden. Der Bedarf an medizinischem Personal, Medizin, Ausrüstung und Patiententransport sei immens.

Etienne rief die internationale Gemeinschaft zur Hilfe auf. Haitis ohnehin stark unterfinanziertes Gesundheitssystem war schon vor dem Beben aufgrund der sich zuletzt verschlimmernden Corona-Pandemie überstrapaziert gewesen. Es traf ein Land, in dem viele Menschen in bitterer Armut leben und das für Naturkatastrophen besonders anfällig ist. 

Darum gibt es in Haiti so viele Erdbeben

Dass Haiti immer wieder von schweren Erdbeben erschüttert wird, überrascht Expert:innen nicht. "Das Land liegt am Rande einer großen tektonischen Platte, der Karibischen Platte", erläutert Marco Bohnhoff vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ). Diese bilde eine Art "Knautschzone" zwischen vier weiteren, wesentlich größeren tektonischen Platten - vor allem der Nordamerikanischen Platte. 

Entscheidend für die Stärke des Erdbebens, dessen Zentrum zehn Kilometer unter der Oberfläche lag, ist dem Experten zufolge die Bruchfläche: Sie beträgt auf einer Länge von 70 Kilometern senkrecht etwa 20 Kilometer. "Das Problem ist, dass das Beben fast bis an die Oberfläche gereicht hat", sagt Bohnhoff. 

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