Fast 100 Tote bei "Jahrhundert-Unwetter" in Spanien - Meteorologe erklärt Katastrophenlage
Spanien ist von katastrophalen Unwettern heimgesucht worden. In überschwemmten Gebieten sind bereits Dutzende Menschen gestorben, weitere werden vermisst. Und noch gilt die Unwetterwarnung weiter.
Heftige Regenfälle haben in weiten Teilen Spaniens zu verheerenden Überschwemmungen geführt und bisher mindestens 95 Menschen das Leben gekostet. Besonders stark betroffen ist die Mittelmeerregion Valencia, wo laut Berichten der Regionalregierung mindestens 70 Menschen ums Leben gekommen sind. Zwei weitere Leichen wurden demnach in der benachbarten Region Kastilien-La Mancha geborgen. Dutzende weitere werden noch vermisst.
Rettungskräfte sind weiterhin im Dauereinsatz, um Menschen zu bergen und die Schäden einzudämmen.
Straßen überschwemmt! Autos und Bäume von Wassermassen mitgerissen
Die Regionen Andalusien, Murcia und Valencia, die bei Urlaubern sehr beliebt sind, sind besonders stark von den Wassermassen betroffen. Überschwemmungen haben dort Straßen, Häuser und Felder unter Wasser gesetzt und Autos sowie Bäume mitgerissen. In einigen Orten konnten Anwohner ihre Häuser nicht verlassen und setzten über soziale Medien Notrufe ab.
Der Ministerpräsident von Valencia, Carlos Mazón, rief die Einwohner dazu auf, sich in höhergelegene Gebiete zu begeben.
Große Probleme für Einsatzkräfte in Valencia
In Valencia ringen Einsatzkräfte darum, zu den Einsatzorten vordringen zu können. Vieles könne wegen überschwemmter oder anderweitig blockierter Straßen nur per Hubschrauber geleistet werden, sagte José Miguel Basset von der Feuerwehr der Provinz Valencia der Nachrichtenagentur "Europapress".
In der Region Valencia können alle Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst am Mittwoch zu Hause bleiben, sofern sie Probleme haben, zu ihrer Arbeitsstelle zu kommen, wie "Europapress" meldete. Der Containerhafen in Valencia schrieb auf der Plattform X, er bleibe bis mindestens 14 Uhr geschlossen.
Noch sechs Menschen nach Unwetter in Albacete vermisst
Auch die Stadt Albacete in der Region Kastilien-La Mancha ist stark betroffen, wo mindestens sechs Menschen vermisst werden. Die Unwetterwarnungen bleiben für große Teile Spaniens weiterhin bestehen, obwohl sich das Regengebiet allmählich nach Nordosten verlagert.
Der spanische Wetterdienst AEMET teilte mit, dass die Lage landesweit frühestens am Donnerstag vollständig entspannen könnte.
Hagelsturm mit Körnern in Golfballgröße
Neben den Regenfällen gab es in einigen Gebieten auch Hagel und starke Windböen. In El Ejido, einem Küstenort in Andalusien, richtete Hagel großen Schaden an Feldern und hunderten Fahrzeugen an.
Die Hagelkörner seien so groß wie Golfbälle gewesen, berichtete eine betroffene Landwirtin.
Hochgeschwindigkeitszug entgleist nach Steinrutsch
Die Überschwemmungen haben ebenfalls den Verkehr stark beeinträchtigt. Autobahnen und Landstraßen mussten gesperrt werden, und auch der Flug- und Bahnverkehr war betroffen.
Ein AVE-Hochgeschwindigkeitszug entgleiste nahe der Gemeinde Álora aufgrund eines Steinrutsches. Glücklicherweise gab es keine Verletzten unter den 291 Passagieren.
Meteorologe erklärt Ursache für Unwetterkatastrophe
Doch wie konnte es zur Unwetterkatastrophe in so vielen spanischen Landesteilen kommen? "Bei dem Unwetter verursachenden Tief in Spanien handelt sich um ein Höhentief, also um kalte Luft in der Höhe, die um diese Jahreszeit für eine erhöhte Labilität und heftige Schauer und Gewitter sorgt", erklärt wetter.com-Meteorologe Martin Puchegger.
Der Wetterexperte weiter: "Das Meerwasser ist aus dem Sommer heraus auch im Herbst im Bereich rund um die Iberische Halbinsel noch warm, speziell das Mittelmeer. Das Höhentief ist dort hingelangt, da ein blockierendes Hoch über Osteuropa die Tiefdruckgebiet vom Atlantik nicht mehr ostwärts durchgelassen hat. Deshalb ist eines davon nach Süden hin ausgewichen und lag mit seinem Zentrum nun tagelang im Bereich Südspanien, Südportugal und nun bereits westlich von Portugal auf dem Atlantik."
"Aus dem Drehsinn des Tiefs heraus - gegen den Uhrzeigersinn - wurde sommerliche Luft aus Nordafrika angezapft und über das Mittelmeer nordwärts gegen die Ost- Südostküste Spaniens geführt. Auf dem Weg über das Meer hat sie sich mit Feuchtigkeit vollgesogen und dabei bandförmige Niederschlagsschleppen gebildet", so Puchegger. "In diese waren heftige Schauer und Gewitter mit teils enormen Regenmengen in kurzer Zeit eingelagert. Das hat die katastrophalen Wetterzustände mit Überflutungen hervorgerufen."
Hydrologe: Natur holt sich Überschwemmungsflächen zurück
Auch wetter.com-Meteorologe Dr. Alexander Hildebrand hat sich mit den verheerenden Überschwemmungen in Spanien beschäftigt. Er betrachtet die Katastrophe noch aus einem anderen Blickwinkel. "Die Bilder aus Spanien zeigen auch, dass die Natur sich wieder zurückholt, was ihr einst gehörte: Nämlich die Überschwemmungsflächen", erläutert der Hydrologe. "Alle Bilder, die ich - meist auf X - bisher gesehen habe, zeigen schmale, einbetonierte Flüsse oder kleinere Bäche."
Dr. Hildebrand führt weiter aus: "Die Regenmengen sind bestimmt größer als ehemals, aber die Bebauung in den ehemaligen Auen und die Einengung der Flüsse spielt nach meiner bisher oberflächlichen Einschätzung auch eine sehr große Rolle bei diesen neuerlichen Katastrophen. Diese Katastrophen sind multikausal."
Trotz Entspannung noch Unwetterwarnung für Mallorca
Zum Schluss noch eine vergleichsweise gute Nachricht: Die Situation auf den Balearen-Inseln, darunter Mallorca, hat sich inzwischen leicht entspannt. Dennoch gilt für einige Gebiete weiterhin die Unwetterwarnung Gelb.
Ein heftiger Regenguss hatte in der Nacht zum Montag Osten Mallorcas für Überschwemmungen gesorgt. Am Flughafen Palma kam es vereinzelt zu Verspätungen und punktuellen Flugausfällen. Besonders heftig erwischte es das Gebiet um die Stadt Manacor. Aber auch im Küstenort Porto Cristo wenige Kilometer entfernt gab es heftige Überschwemmungen. Einige Straßen mussten wegen der Wassermassen für den Verkehr gesperrt werden.
Weitere Empfehlungen der Redaktion zum Thema: Wetter und Klima
- Deutschlandwetter im November 2024: Meteorologe gibt Langfristausblick
- Wetter 16 Tage: Wintereinbruch abgeblasen! Stabiles Hoch ohne Ende
- Zwei Länder stellen sich quer: Antarktis-Konferenz erneut gescheitert