Schwerwiegende Folgen für unser Wetter: Golfstrom kurz vor dem Kollaps?

- Quelle: dpa/wetter.com
Dürre, Starkregen, Schneemassen: Schwacher Golfstrom mit krassen Folgen
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Eine wichtige Atlantik-Strömung, zu der auch der Golfstrom gehört, nähert sich womöglich einer kritischen Schwelle. Was passiert, wenn der Kipppunkt erreicht ist?

Die Atlantische Umwälzströmung (AMOC), die für den Austausch warmer und kalter Wassermassen in dem Ozean verantwortlich ist und so auch das Klima in Europa beeinflusst, hat möglicherweise an Stabilität verloren. Das schreibt Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Fachmagazin "Nature Climate Change". 

Zusammenbruch des Golfstroms hätte schwerwiegende Folgen 

Die Atlantische Umwälzströmung ist ein komplexes Strömungssystem, das warmes Wasser aus den Tropen an der Ozeanoberfläche Richtung Norden befördert und kaltes Wasser in größerer Tiefe gen Süden bringt. Teil dieser Strömung ist auch der Golfstrom. In Westeuropa sorgt dieser Kreislauf für vergleichsweise milde Temperaturen, auch auf andere globale Regionen der Welt hat es Auswirkungen. Ein Zusammenbruch dieses wichtigen Systems hätte schwerwiegende Folgen für das weltweite und vor allem auf das europäische Klima. 

Konkret hätte ein Zusammenbruch des Golfstroms für Europa zur Folge, dass es im Winter definitiv kühler beziehungsweise kälter werden würde, wie wetter.com Meteorologe Ronald Porsche erklärt. "Von der geografischen Breite liegt zum Beispiel Berlin deutlich weiter nördlich als zum Beispiel Quebec in Kanada, Rom liegt etwa auf der Höhe von New York. Der Golfstrom sorgt aktuell dafür, dass es bei uns dennoch so mild und angenehm ist. Fällt der Golfstrom weg, würde sich die Klimazone, die derzeit über Skandinavien liegt, weiter nach Süden verschieben und auch über Deutschland liegen."

Mehr über die Klimazonen und deren Verschiebung kannst du im Artikel nachlesen: 

So verschieben sich die Klimazonen

Mehr Extremwetterereignisse

Gleichzeitig würde es auch rund ums Mittelmeer eine Veränderung geben, die aber nicht so stark ausfällt wie im Norden. "Diese Zunahme der Gegensätze über Europa (kälterer Norden/Osten bei weniger Abkühlung im Süden Europas) würde auch zu mehr Extremwetter führen, da die Natur Gegensätze versucht auszugleichen", erklärt Porschke weiter. Das passiert dann meist in Form von Stürmen.

Weitere Auswirkungen haben wir im Video am Anfang des Artikels zusammengefasst. Die Folgen eines abgeschwächten Golfstroms haben wir außerdem in einer Podcast-Folge behandelt: 

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Auch weltweit dramatische Folgen

Auch weltweit wären die Folgen dramatisch, wie etwa der britische "Guardian" veranschaulichte: Ein Erliegen der Strömung würde etwa die Regenfälle ernsthaft durcheinanderbringen, von denen die Ernährung von Milliarden Menschen in Indien, Südamerika und Westafrika abhängig sei, erklärte die in Klimafragen führende Zeitung. Neben dem Amazonas-Regenwald seien auch die Eisschilde der Antarktis stärker als bislang gefährdet. Kurzum: Ein Erliegen der Atlantik-Strömung würde die Welt grundlegend verändern. 

Strömung so schwach wie nie zuvor 

Die Strömung ist Boers zufolge momentan so schwach wie nie zuvor in den vergangenen 1000 Jahren. Unklar ist jedoch, ob dahinter nur eine Veränderung des mittleren Zirkulationszustands oder aber ein wirklicher Verlust an dynamischer Stabilität steckt - und dieser Unterschied sei entscheidend, erläutert Boers in einer PIK-Mitteilung. Eine Verringerung der Stabilität würde heißen, dass sich die Atlantik-Strömung der kritischen Schwelle angenähert habe, hinter der das Zirkulationssystem zusammenbrechen könnte. 

Golfstrom so schwach wie lange nicht: Das sind die Folgen für unser Wetter

Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel?  

Um das zu beleuchten, hat sich Boers sogenannte Fingerabdrücke in Temperatur- und Salzgehaltmustern auf der Atlantik-Oberfläche angeschaut. "Eine detaillierte Analyse dieser Fingerabdrücke in acht unabhängigen Indizes deutet nun darauf hin, dass die Abschwächung der AMOC während des letzten Jahrhunderts in der Tat wahrscheinlich mit einem Stabilitätsverlust verbunden ist", schreibt das PIK dazu.  

Faktoren, die auf die Strömung einwirken, sind neben den direkten Auswirkungen der Atlantik-Erwärmung unter anderem der Zufluss von Süßwasser durch schmelzende Eismassen, zunehmender Niederschlag und Wasser aus Flüssen. Dass diese Süßwassermengen bereits eine solche Reaktion hervorrufen würden, hätte er nicht erwartet, erklärte Boers. 

Die Faktoren müssten zwar noch näher untersucht werden - klar sei jedoch schon jetzt, dass sie mit dem menschgemachten Klimawandel in Verbindung stünden. 

Jedes Gramm CO2 zählt

Wann sich die Strömung genau abschwäche, sei sehr schwer abzuschätzen, erläuterte Boers der Deutschen Presse-Agentur. "Es hängt erstmal davon ab, wie viel CO2 freigesetzt wird und wie stark die Temperaturen dadurch steigen." Zudem gebe es Unsicherheiten etwa darüber, wie viel wärmer es in der Arktis werde und wie stark der Süßwasserfluss in den Atlantik durch den Temperaturanstieg zunehme.  

Der entscheidende Punkt der Studie sei, "dass wir - früher und deutlicher als erwartet - klare Anzeichen für Stabilitätsverlust sehen", betonte Boers. "Das heißt, das System bewegt sich hin zum kritischen Schwellenwert, und jedes Gramm CO2, das noch freigesetzt wird, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die AMOC irgendwann den kritischen Wert erreicht." Wenn der kritische Punkt überschritten werde, werde die AMOC innerhalb weniger Jahrzehnte weitgehend zum Erliegen kommen. 

Boers' Studie kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Klimakrise und ihre Folgen im Zuge der Hochwasser-Katastrophe in Deutschland und weiteren Ländern sowie den ebenso verheerenden Waldbränden in Südeuropa stärkere Beachtung erhalten haben. Am Montag legt zudem der Weltklimarat (IPCC) einen mit Spannung erwarteten Sachstandsbericht vor - seinen ersten seit rund sieben Jahren.

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