Jetzt 220 Tote: Noch 23 Menschen nach Jahrhundertunwetter in Spanien vermisst

- Redaktion - Quelle: dpa/mep
Rund 90 Vermisste nach Überschwemmungen in Spanien
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Es ist eine der schwersten Unwetterkatastrophen in Spanien seit fast 30 Jahren. Vor allem in der Region Valencia starben am 29. Oktober über 200 Menschen. Noch immer gibt es Vermisste.

Eine Woche nach dem sogenannten Jahrhundert-Unwetter mit 220 Todesopfern im Osten Spaniens liegt eine neue Vermisstenzahl vor. 23 Menschen gelten demnach weiter als vermisst, wie Cadena Ser unter Berufung auf jüngste Daten der Behörden in Valencia berichtete. 54 der geborgenen Leichen seien allerdings noch nicht identifiziert, sodass sich einige der von Angehörigen und Freunden als vermisst gemeldeten Menschen unter den bisher bestätigten Toten befinden könnten.

Einige spanische Medien hatten noch bis vor Kurzem von bis zu 2500 Vermissten berichtet - allerdings ohne Quelle. Vermutlich basierten die Zahlen auf den Notrufen, die teils schon zu Beginn des Unwetters vor gut einer Woche bei den Behörden eingingen.

Über 200 Opfer durch katastrophales Unwetter

Nach den schweren Unwettern im Süden und Osten Spaniens mit mindestens 220 Toten sind weiter viele Gemeinden mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Verteidigungsministerin Margarita Robles erklärte die Suche nach Vermissten zur Priorität.

In einem Akt der Hilfsbereitschaft haben sich Medienberichten zufolge inzwischen mehr als 15.000 freiwillige Helfer in Valencia eingefunden. Mit von der Regionalregierung organisierten Bussen sollten sie in Schichten zu den schwer verwüsteten Dörfern rund um Valencia gebracht werden, um bei den Aufräumarbeiten zu helfen.

Spanisches Königspaar im Katastrophengebiet beschimpft

Am Sonntag (3. November) kam es während des Besuchs von König Felipe VI., Königin Letizia, Regierungschef Pedro Sánchez und dem Präsidenten der Region Valencia, Carlos Mazón, in der Region Valencia zu heftigen Protesten. Im Ort Paiporta, der besonders schwer verwüstet wurde, schrie eine aufgebrachte Menge Vorwürfe wie "Mörder" und "Rücktritt" und bewarf die Gruppe sogar mit Schlamm, wie spanische Medien berichten.

Das Königspaar versuchte offenbar, beruhigend auf die Anwesenden einzuwirken und das Gespräch zu suchen. Dennoch musste Felipe aus Sicherheitsgründen von Personenschützern, teils beritten, abgeschirmt werden. Es war zunächst unklar, ob der Besuch in Paiporta fortgesetzt wurde. Die Gruppe plante auch, Chiva, einen weiteren schwer betroffenen Ort, zu besuchen, um sich über die Schäden zu informieren und mit den Einwohnern zu sprechen.

Tweet Felipe

Eingeschlossene Frau nach drei Tagen gerettet

In all dem Elend gab es aber auch eine gute Nachricht: Drei Tage nach den tödlichen Unwettern konnten Rettungskräfte in der Region Valencia eine Frau lebend aus einem Auto bergen. Die Polizei in der Gemeinde Moncada teilte auf der Plattform X ein entsprechendes Video, in dem der Präsident des Zivilschutzes Valencia, Martín Pérez, ihre Rettung vor Mitarbeitern unter Applaus verkündet.

Tweet Moncada

Die Frau soll drei Tage lang neben der Leiche ihrer Schwägerin in dem Fahrzeug in der Gemeinde Benetússer südlich der Großstadt Valencia eingeklemmt gewesen sein, wie Europapress mit Bezug auf die Lokalzeitung "Las Provincias" berichtet. Rettungskräfte hätten ihre Schreie gehört, als sie aus einem Tunnel steckengebliebene Autos wegschleppten. Die Gerettete sei zu einer medizinischen Untersuchung gebracht worden, weitere Details waren nicht bekannt. 

Mehr als 1700 Soldaten im Katastrophengebiet

Mehr als 1700 Soldaten unterstützen inzwischen die Rettungs- und Bergungsarbeiten im Katastrophengebiet rund um Valencia, und auch Tausende von freiwilligen Helfern sind wie erwähnt im Einsatz. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez will noch weitere 5000 Soldaten sowie 5000 Polizisten und Angehörige der Polizeieinheit Guardia Civil in die Überschwemmungsgebiete schicken, um die Bergungs- und Aufräumarbeiten zu beschleunigen. 

Gemeinden wollen sich selbst helfen

Es fehle an allem, sagte die Bürgermeisterin des besonders stark verwüsteten Ortes Catarroja südlich der Großstadt Valencia, Lorena Silvent, am Donnerstagmorgen im staatlichen Sender RVTE.  "Alles ist willkommen - Essen, Trinkwasser, Geräte zur Wiederherstellung der Wasserversorgung, Kleidung." Auch die Stromversorgung und die Telekommunikationsnetze seien nicht überall wieder hergestellt. 

Silvent plant nun, Versorgungspunkte in dem knapp 30.000 Einwohner zählenden Ort aufzubauen, wo Spenden wie Lebensmittel und Kleidung verteilt werden sollen. Auch wolle sie eine Anlaufstelle für medizinische Versorgung rund um die Uhr einrichten. Wann sie staatlich organisierte Hilfe erwarte, etwa für die Verteilung humanitärer Hilfe oder beim Freiräumen der durch aufgetürmte Autos blockierten Straßen, sagte sie nicht.

Auch in anderen Orten organisieren Bürgermeister mittlerweile Hilfe für die Einwohner. "Wir mussten einen Supermarkt ausräumen, um Lebensmittel an die Bevölkerung zu verteilen", sagte der Bürgermeister des Orts Alfafar, Juan Ramón Adsuara, dem Fernsehsender À Punt in der Provinz Valencia. In der Gemeinde mit 20.000 Einwohnern gebe es noch Menschen, die mit Leichen in ihren Häusern lebten.

Zahlreiche Tote und Vermisste - wer trägt die Schuld?

Von "vielen" Menschen wisse man gar nichts über deren Schicksal, sagte die Ministerin. In der besonders stark betroffenen Mittelmeerregion Valencia, in der die überwiegende Mehrzahl der bisher bestätigten 220 Toten gefunden wurden, soll nun das Militär gezielt in den Ortschaften Paiporta und Masanasa nach Menschen in Not suchen.

Zugleich lehnte Robles es ab, sich an der in Spanien entbrannten Diskussion über Versäumnisse bei der Warnung vor diesen verheerenden Unwettern zu beteiligen. "Jeder weiß, was er gut und schlecht gemacht hat", sagte sie mit Blick auch auf einen Streit zwischen Innenminister Fernando Grande-Marlaska und dem Regierungschef der Region Valencia, Carlos Mazón. Beide werfen sich gegenseitig vor, für das Warnsystem zuständig gewesen zu sein. 

Mehr zu den Unwettern hier: Über 200 Tote bei "Jahrhundert-Unwetter" in Spanien - Meteorologe erklärt Katastrophenlage

Warnungen wurden verschickt - zu spät?

Tatsächlich gingen Warnungen des Zivilschutzes am Dienstag gegen 20:10 Uhr an die Handys aller Menschen in der Region Valencia, wie der staatliche Rundfunksender RTVE rekonstruiert. Dabei habe es aber schon Stunden vorher zu regnen begonnen, merkte die Zeitung "El País" an. Und schrieb weiter: Der Wetterdienst Aemet habe bereits am Dienstagmorgen gegen 7:30 Uhr die höchste Warnstufe ausgerufen, was sehr hohe Gefahr bedeutet. 

Doch die Warnungen des Zivilschutzes seien dann erst am Abend erfolgt, als erste Flüsse bereits über die Ufer getreten waren. Viele Menschen waren trotz der Unwetter in ihren Autos unterwegs und liefen damit Risiko, liegenzubleiben oder von der Strömung weggerissen zu werden. Die große Ford-Fabrik in Almussafes und die Universität València hatten ihre Leute zuvor bereits nach Hause geschickt, wie die Zeitung schrieb.

Quelle: dpa/Alberto Saiz

Erinnerungen an das Ahrtal

Schwer getroffen von den heftigen Regenfällen vom Dienstag wurden auch andere bei Touristen beliebte Regionen am Mittelmeer wie Andalusien und Murcia sowie Kastilien-La Mancha im Landesinnern. Die extremen Niederschläge hatten binnen weniger Stunden zahlreiche Flüsse in reißende Ströme und Straßen in Flüsse verwandelt, die Häuser zerstörten und Bäume, Menschen sowie Fahrzeuge mit sich rissen. Der Wetterdienst Aemet sprach von einem "historischen Unwetter", dem schlimmsten solcher Art in der Region Valencia, wo die meisten Toten verzeichnet wurden. 

Mancherorts fiel innerhalb eines Tages so viel Regen wie sonst in einem Jahr - in einigen Orten der Region Valencia Aemet zufolge bis zu 400 Liter pro Quadratmeter. Menschen, Autos und Bäume, aber auch Infrastruktur wurden in den Fluten mitgerissen. Vielerorts gab es große Verwüstung. 

Quelle: dpa/Manu Fernandez

Angesichts dieser plötzlichen Wettergewalten fühlten sich nicht wenige gerade in Deutschland auch an die Flutkatastrophe im Ahrtal erinnert, bei der im Juli 2021 mindestens 135 Menschen ums Leben kamen.

Wetterextreme nehmen aufgrund des Klimawandels weiter zu - mehr Infos dazu hier: 

Hintergrund: Wie kam es zu der Extremwetterlage?

Auslöser für die Unwetter in Spanien war ein Kaltlufttropfen (gota fría). Es tritt in der spanischen Mittelmeerregion in den Monaten September und Oktober häufig auf und basiert auf stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft.

Das Phänomen entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben. Auf den Balearen bezeichnet man das Wetterphänomen auch als DANA - eine spanische Abkürzung, die für "Depresión aislada en niveles altos", was direkt übersetzt "Isoliertes Tief in großen Höhen" bedeutet.

Die Zentralregierung in Madrid rief eine dreitägige Staatstrauer ab Donnerstag aus. Sie sicherte den Betroffenen auch schnelle Hilfe beim Wiederaufbau zu.

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