Altes Land: Streit um geplanten Hochwasserschutz
Arno Hagenahs Grundstück liegt malerisch an der Este, einem Nebenfluss der Elbe im Alten Land. Sein Fachwerkhaus in Estebrügge, Gemeinde Jork, stammt aus dem 18. Jahrhundert. So wie hier üblich, wurde es auf einem Deich errichtet. Zusammen mit den Häusern nebenan steht es unter Ensemble-Denkmalschutz. Hagenah fürchtet, dass die Idylle vorbei ist, wenn die Nachbarstadt Buxtehude ihre geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen wahr macht.
"Dann kann es bei Starkregen im Binnenland bei uns zu überfluteten Kellern kommen", sagt Hagenah. Und nicht nur das: "Die alten Häuser haben alle kein dickes Fundament, und die Deiche sind nachweislich schon marode." Würden die Deiche unterspült, könnte dies Auswirkungen auf die Statik der darauf stehenden Bauten haben.
Minideiche und Spundwände in der Innenstadt
Um sich künftig gegen Hochwasser zu schützen, will Buxtehude für sechs Millionen Euro Minideiche und Spundwände in der Innenstadt entlang der Este errichten. Ein entsprechender Antrag wurde beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) eingereicht. Das Genehmigungsverfahren läuft. Dagegen laufen die Jorker Sturm, deren Gemeinde im Landkreis Stade gesetzlich als Überflutungsgebiet vorgesehen ist. Der Jorker Bürgermeister Gerd Hubert fürchtet in einem Offenen Brief "dramatische Folgen" für die Ortschaften Moorende, Estebrügge, Hove und Königreich.
Dabei hatten sich die Jorker seit Jahrzehnten in Sicherheit gewiegt. "Vor 1959 standen hier regelmäßig die Häuser unter Wasser", sagt Rainer Podbielski von der Interessengemeinschaft Este. Die Fluten kam von der Elbe. Doch mit dem Bau des Sperrwerks im nahen Cranz war das vorbei. Nun droht wegen der Klimaveränderung und damit verbundener häufigerer und höherer Niederschläge das Wasser von der anderen Seite zu kommen. Wenn wegen einer Sturmflut das Sperrwerk länger geschlossen werde und gleichzeitig die Este-Pegelstände infolge starken Regens anstiegen, "droht eine gefährliche Überflutung im Bereich der unteren Este", schreibt Bürgermeister Hubert.
Nicht auf dem Rücken der Nachbargemeinde
Es sei selbstverständlich, dass Buxtehude Maßnahmen zum Hochwasserschutz ergreifen müsse, betont Podbielski. "Aber nicht auf dem Rücken der Nachbargemeinde. Das Wasserhaushaltsgesetz sagt, dass Maßnahmen nicht zu Lasten der Unterlieger gemacht werden dürfen." Die IG Este und die Gemeinde Jork fordern ein ganzheitliches Konzept für die Este - von der Quelle bis zur Mündung. "Wir brauchen ein Rückhaltekonzept, das schon früh ansetzt", betont Podbielski. Ähnlich sehen das auch die Initiatoren des Projekts Klimaanpassung Einzugsgebiet Este (KLEE), das unter anderem vom Landkreis Harburg betrieben und vom Bundesumweltministerium gefördert wird.
Buxtehude habe nicht auf eine ganzheitliche Lösung warten können, sagt der stellvertretende Betriebsleiter der Stadtentwässerung, Eckhard Dittmer. "Beim Hochwasser 2002 ist die Stadt gerade noch mit einem blauen Auge davon gekommen." Deshalb habe gehandelt werden müssen. Die von SPD und CDU im Rat verabschiedeten Maßnahmen bedeuteten den geringsten Eingriff in die Fläche und Natur.
Die Buxtehuder Grünen sind allerdings gegen das Vorhaben. Auch sie fordern eine ganzheitliche Betrachtung. "Schließlich läuft der Fluss durch zwei Landkreise und Hamburg", sagt Grünen-Fraktionschef Michael Lemke. Eine Kommune allein sei deshalb mit dem Problem überfordert. "Da bräuchten wir die Unterstützung vom Land, das uns an die Hand nimmt." Er sei deshalb maßlos enttäuscht von seinem Parteifreund, Umweltminister Stefan Wenzel. "Er bringt sich nicht ein." Die Landesregierung sei gesetzlich nicht zuständig und habe deshalb keinen Einfluss auf die örtlichen Planungen, heißt es dazu aus dem Ministerium. Solche Aussagen machten ihn "sauer", sagt Lemke.
Einwände gegen das Projekt
Noch bis mindestens Mitte Juli können Bürger Einwände gegen das Projekt vorbringen. Bis zu einer Entscheidung des NLWKN dauere es über ein Jahr, sagte eine Sprecherin. Arno Hagenah jedenfalls wird Widerspruch einlegen.
dpa
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