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Leben in Eis, Kälte und Dunkelheit: Das haben uns nordische Völker voraus

Mo 09.01.2023 | 13:24 Uhr - Melanie Probandt
Was können wir uns von nordischen Völkern noch abschauen? ©Shutterstock

Gene, Gesundheit, Kleidung oder einfach die innere Einstellung? Wie ertragen nordische Völker das Leben bei Eiseskälte und Dunkelheit? Ein Überblick.

Der Atem gefriert, die Finger färben sich rot, der Körper beginnt zu zittern: Temperaturen unter dem Gefrierpunkt empfinden viele bereits als zu kalt. Begleitet von grauem Wetter und langanhaltender Dunkelheit, setzt für viele in den kalten Monaten eine regelrechte Winterdepression ein.

Verglichen mit Regionen in Finnland, Lappland oder Sibirien aber ein Klacks. Mit welchen Bedingungen nordische und andere Völker zu kämpfen haben und was sie uns beim Umgang mit der Kälte bereits voraushaben.

Auch interessant: Wetterfühligkeit und Winterblues: Was der dunkle Herbst mit uns macht

Die Gene

Das Wissenschaftliche gleich vorweg: Eine besondere Anpassung zeigt sich bereits in unserer menschlichen DNA.

Das sogenannte Alpha-Actinin-3-Protein kommt bei etwa einem von fünf Menschen weltweit nicht vor. Dem Wissenschaftsportal "Spektrum" zufolge sei dies vor allem bei Menschen mit einer Herkunft aus nordischen Regionen häufig. Warum?

Das Nichtvorkommen bewirkt, dass Skelettmuskeln weniger schnellkräftig sind, weshalb diese Menschen häufig schlechtere Sprinter sind. Dafür haben sie einen Vorteil:

Forscher:innen aus Schweden beobachteten bei einem Experiment eine höhe Kältetoleranz der Personen ohne Alpha-Actinin-3. Sie konnten die Körpertemperatur bei geringerem Energieaufwand halten. Diese Menschen haben also wahrscheinlich bei kaltem Klima die besseren Karten, sind ausdauernder und energiesparender.

Kälte und große Menschen

Übrigens stehen auch die Körpergröße und das Klima in Verbindung zueinander, wie Forschende in einer Studie auf "Nature" beschrieben.

"Unsere Daten deuten darauf hin, dass das Klima - insbesondere die Temperatur - der Haupttreiber für die Veränderungen des Körpergewichts in der letzten Million Jahre war", sagt die Forscherin Andrea Manica von der University of Cambridge.

So seien Menschen in wärmeren Klimazonen tendenziell leichter gebaut als Menschen in kälteren Klimazonen.

Können wir uns der Kälte anpassen?

Die Gene sind dabei aber bei Weitem nicht alles! Um eisigen Temperaturen standzuhalten, braucht es einiges an Überlebenstaktiken. Davon berichtet der Journalist Reinhardt Wurzel, der fünf Wochen das kälteste Dorf der Welt in Sibirien besuchte.

Hier leben Menschen unter Bedingungen, die wir als absoluten Ausnahmezustand beschreiben würden: Bei klirrender Kälte von bis zu -75 Grad droht bloße Haut, die der Kälte ausgesetzt ist, innerhalb kürzester Zeit zu erfrieren.

Der Winter dauert hier neun Monate. Fließendes Wasser gibt es nicht. Dafür müssen Autoscheiben doppelt verglast werden.

Einheimische kleiden sich nach dem Zwiebelprinzip mit mindestens vier Schichten. Doch ist das auf Dauer gesund?

Für viele ist es wahrscheinlich unvorstellbar an Orten zu leben, an denen derart kalte Bedingungen wie in Sibirien herrschen. Quelle: dpa

Der Physiologe Simon Annaheim erklärt gegenüber dem Schweizer Tagesanzeiger, dass sich Menschen an Kälte anpassen können.

So würde der Schwellenwert für wärmeregulierende Prozesse sinken. "Wir beginnen später zu zittern", so Annaheim. "Was man auch festgestellt hat, ist, dass sich die Kerntemperatur bei Menschen, die lange großer Kälte ausgesetzt sind, leicht absenkt."

Längerfristig würde sich auch das Herz-Kreislauf-System, der Stoffwechsel und Hormonhaushalt anpassen. Körperliche Anpassung schön und gut - doch wie sieht es mit der Ernährung, der Technik und der Infrastruktur in solchen Gebieten aus?

Andere Länder, andere Sitten

Wie Wurzel bei "Planet-Wissen" berichtet, werden im kältesten Dorf der Welt zugefrorene Flüsse als Verkehrsstraßen genutzt. Zudem dürfen Heizungen nicht ausgehen, da sie sonst schnell gefrieren und die Leitungen platzen würden. Automotoren laufen demnach auch pausenlos.

Milch werde in Eisblöcken verkauft und Pferdefleisch sei in der regionalen Küche eine nahrhafte Spezialität. Generell ist die Küche bei den schwierigen landwirtschaftlichen Bedingungen sehr Fleisch-lastig geprägt.

Eine Frage der Mentalität?

Bei so viel Kälte und Dunkelheit spielen aber nicht nur körperliche Aspekte eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden. Aber auch auf sozialer Ebene haben unterschiedliche Völkergruppen Strategien entwickelt, mit der kalten Jahreszeit umzugehen. So berichtet das Wissensformat "Planet-Schule" von den Traditionen des Geschichtenerzählens bei den Inuit.

Beschäftigung ist gefragt bei langen Tagen im Sommer und Dunkelheit im Winter. So habe das Geschichtenerzählen in Form von Mythen, Liedern oder Jagdgeschichten eine lange Tradition.

Aber auch künstliches Lichtbaden hilft gegen die langanhaltende Dunkelheit. Im finnischen Tampere zum Beispiel gibt es das berühmte Lichterfestival "Valoviikot" von Oktober bis Januar, bei dem die ganze Stadt in bunten Lichtern erstrahlt.

Stimmungsaufheller der Skandinavier

Trotz allem ist die Winterdepression in Skandinavien mittlerweile beinahe ein alter Hut. In der norwegischen Stadt Tromsø klage sogar jeder zweite über das SAD-Syndrom (Seasonal Affective Disorder), so Trond Bratlid vom Asgard-Krankenhaus gegenüber der "Tageszeitung".

Kein Wunder also, das Tageslichtlampen hier mittlerweile zum Standard-Inventar gehören.

Aber auch die Gesundheit wird hier vorsorglich, bevorzugt in der Gemeinschaft, gefördert. Saunen sind in Schweden ein beliebter Ort, um zu entspannen und das Immunsystem mit Wechselbädern zu stärken.

Quelle: dpa

Auch der Sport an der frischen Luft, zum Beispiel Skifahren, Schneewanderungen, Schlittschuhfahren oder Schlittentouren, dient in nordischen Regionen als Stimmungsaufheller.

Wie sich Sport im Winter positiv auf deinen Körper und Geist auswirkt, erfährst du in unserer Podcastfolge: Sport im Winter: So verhinderst du eine Erkältung

Zwischen Depression und Glückseligkeit

Durch den vertrauten Umgang mit der Dunkelheit haben die nordischen Kulturen also bereits gute Strategien für die eigene Mentalität entwickelt.

Jedenfalls steht fest: Beim "World Happiness Report" schaffen es Schweden, Dänemark und Norwegen regemäßig in die Top Ten. Unangefochtener Gewinner seit fünf Jahren: Finnland. Das nordeuropäische Land gilt als das glücklichste der Welt.

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